Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Annette Raschner · 29. Nov 2018 · Literatur

Franz Michael Felder und seine „Liebeszeichen“ - Zahlreiche Aktivitäten zum Felder-Jahr 2019

2019 ist ein Jubiläumsjahr. Gefeiert wird nicht nur der 150. Todestag des Schoppernauer Dichters und Volksaufklärers Franz Michael Felder, sondern auch der 50. Geburtstag des Felder-Vereins. Die Feierlichkeiten beginnen ab sofort, denn als Jahresgabe des Felder-Vereins 2018 ist soeben mit „Liebeszeichen und andere Dorfgeschichten“ der vierte Band mit belletristischer Literatur Felders nach „Aus meinem Leben“, „Reich und Arm“, „Nümmamüllers und das Schwarzokaspale“ in einer neuen Ausgabe erschienen. Der Mitherausgeber und Leiter des Felder-Archivs Jürgen Thaler erzählt im Gespräch von den Qualitäten des Textes und verrät weitere Höhepunkte im Jubiläumsjahr.

Ein Kuss und andere unerhörte Begebenheiten

Jürgen Thaler: Die Novelle ist so etwas wie eine versteckte Perle, die Felder und sein literarisches Werk gut erlebbar, leicht entdeckbar macht. Sie spielt im Bregenzerwald, beinhaltet unerhörte Begebenheiten, die sich auch um einen Kuss drehen. Das Liebeszeichen schlechthin. Nun war das Dorf im 19. Jahrhundert wie auch noch oftmals heute eine ‚Not-, und Terrorgemeinschaft‘. Ein Kuss in der Öffentlichkeit war nicht gern gesehen, moralisch verboten. In der Geschichte gerät nun ein Lehrer in arge Schwierigkeiten. Denn dieser küsst eine Tochter des Gastwirtes, der im Dorf ein hohes Ansehen genießt.
Annette Raschner: Wie reiht sich dieses Buch in Felders Gesamtwerk ein?
Thaler: Nun, Felder war ja nicht nur ein Verlagsautor, sondern auch ein Schriftsteller, der für Zeitungen und Zeitschriften geschrieben hat. Er wollte unbedingt, dass die Novelle „Liebeszeichen“ in der großen, auflagenstarken Leipziger Ausgabe der Zeitschrift „Gartenlaube“ erscheint. Das hat sich allerdings nicht realisieren lassen, sodass der Text 1867 in der kleineren, österreichischen „Gartenlaube“ publiziert wurde. Interessanterweise wurde die Novelle nach der Jahrhundertwende zu einem der bekanntesten Texte von Felder, weil sie bei Reclam in Leipzig als Buch erschienen war. Rudolf Wacker zum Beispiel hat sie in Sibirien in dieser Ausgabe lesen können.
Raschner: Es handelt sich ja auch um keine „harmlose“ Geschichte?!
Thaler: Auf den ersten Blick ist sie schon harmlos, weil Felder in seiner Poetik nicht auf Konfrontation geht. Er erzählt nicht drastisch von den Folgen dieses Kusses, sondern bettet diese in diverse Handlungen ein. Doch die „Liebeszeichen“ zeigen auch, was passiert, wenn neue Ideen, andere Moralvorstellungen ins Dorf strömen beziehungsweise wie die dörfliche Gemeinschaft mit Trägern dieser Ideen umgeht. Der Lehrer ist aus Bregenz zurück ins Dorf gekommen, um den alten Lehrer abzulösen. Er ist der Vertreter der neuen Ideen. Durch den Kuss einer Frau, die eigentlich für einen anderen bestimmt ist, verliert er den Respekt der anderen, er weiß nicht mehr weiter und will nur noch eines: Weg aus dem Dorf. Allerdings – und darauf deutet der Titel bereits hin – gibt es im Buch noch andere Liebeszeichen, die die Geschichte in Harmonie münden lassen!

Weitere Texte, die damals in Zeitschriften erschienen

Raschner: In dem Buch werden weitere Texte mit veröffentlicht. Welche Überlegungen gab es da?
Thaler: Felder hat ja neben seinen Romanen einige Aufsätze, autobiografische Berichte und Essays geschrieben. In dem Buch finden sich nun alle zu Lebzeiten Felders in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlichte Texte wieder. Das sind die auch heute noch beeindruckenden Geschichten seiner Flucht, die er nach den Auseinandersetzungen in Schoppernau angetreten hatte. Es gibt aber auch einen – wie ich finde – sehr schönen, eigentlich ist es ein volkskundlicher Text („Ein Ausflug auf den Tannberg“), und es gibt einen Aufsatz, in dem er unter dem Titel „Heilsgeschäfte“ mit entleerten Ritualen der katholischen Kirche abrechnet.
Raschner: Welche Jahresgabe wird auf die „Liebeszeichen“ folgen?
Thaler: Eine Neuausgabe der „Sonderlinge“ im nächsten Jahr, wieder bei Libelle. Dann soll eine Box vorliegen, in der alle belletristischen Texte von Felder in Neuauflage versammelt sind. Denn nur wenn die Bücher eines Autors regelmäßig neu verlegt werden, werden sie auch gelesen. Es gibt aber noch ein anderes sehr schönes Projekt: Beim Verlag Jung & Jung erscheint im Frühjahr nächsten Jahres zudem eine von mir herausgegebene Neuausgabe von „Aus meinem Leben“.
Es gibt ja zwei Fassungen von Felders Autobiografie. Die eine, die er alleine geschrieben hat, liegt als Handschrift bei uns. Mithilfe des Schreibers Albinger aus Bezau hat Felder aber noch eine zweite Fassung verfasst. Nach Felders Tod haben seine Freunde bei der Verlagssuche diese zweite Version hergenommen. Nach dem Scheitern dieser Suche fiel der Text in einen Dornröschenschlaf, erst nach 1904 hat der Germanist Anton E. Schönbach dafür gesorgt, dass „Aus meinem Leben“ erstmals veröffentlicht wurde. Auch da war die zweite Fassung die Grundlage. Und sie ist bis heute jene, die man nachgedruckt hat. Auch in unserer Neuausgabe bei Libelle. Das Problem ist aber, dass die Handschrift dieser zweiten Fassung nach 1910 verloren gegangen ist. Man weiß also nicht, ob und was Schönbach verändert oder vielleicht sogar ausgelassen hat. Die Neuausgabe beruht nun wirklich auf dieser ersten Handschrift, die sich von der bekannten Fassung merklich unterscheidet. Arno Geiger hat dafür ein wunderbares Vorwort geschrieben.

Pläne für das Felder-Jahr 2019

Raschner: Was ist darüber hinaus für das Jubiläumsjahr geplant?
Thaler: Zusammen mit dem Dornbirner Stadtmuseum, der Stadt Bregenz und dem Egg Museum wird das Felder-Archiv im Juni eine Ausstellung an drei Orten machen: „Felder@Dornbirn, Felder@Bregenz, Felder@Bregenzerwald“. Die Fragestellungen lauten: Was haben diese Orte mit Felder zu tun? Was haben sie mit ihm gemacht und – vice versa – er mit ihnen? Dann plant der Franz Michael Felder-Verein am 18. Mai ein Fest für Felder in Schoppernau. Der Felder-Verein plant auch ein großes Schülerprojekt zum Jubiläum. Und in unserer Veranstaltungsreihe werden wir im Mai und Juni Autorinnen und Autoren zu Worten kommen, die etwas mit Felder zu tun haben.

Franz Michael Felder, Liebeszeichen, hg. v. Jelko Peters und Jürgen Thaler, Libelle Verlag 2018, ISBN 978-3-905707-68-7
Buchpräsentation: Mi, 5.12., 20 Uhr
Foyer des Vorarlberger Landestheaters, Bregenz

Annette Raschner ist Redakteurin des ORF-Landesstudios Vorarlberg