Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Manuela Cibulka · 11. Okt 2022 · Literatur

Der Zauber(er) des Lebens - Schundhefte Nummer 42-2022 und 43-2022

Sonntagvormittag – für gewöhnlich keine besonders aufregende Zeit. Wenn man diese aber bei Radio Proton verbringt und gemeinsam mit Ulrich Gabriel alias Gaul von 9 bis 10 Uhr morgens „radioaktiv wird und sich ins Bad der Unendlichkeit summt“ (Gaul), zwischendurch einer alten Kaffeemühle namens Influencer beim Fragenstellen und Gaul selbst beim Geschichtenvorlesen zuhört, ist dem aber nicht so. Vor allem dann, wenn der Protagonist der gelesenen Erzählung Edward Vidmar – besser bekannt als Edi 2000, Künstler, Musiker, Zauberer, Alleinunterhalter aus Lustenau – neben einem sitzt, mit seiner Mundharmonika aufspielt und das eine oder andere Ständchen singt.

Anlass für meinen Sonntagsausflug bot ein anschließender Interviewtermin mit Edi. Schon vor längerem hat er begonnen, seine Lebensgeschichte aufzuschreiben. Im Rahmen des Erscheinens zweier Schundhefte bietet sich ihm nun die Möglichkeit, diese einem größeren Publikum zugänglich zu machen und man merkt: Er ist stolz darauf. Alles entstamme seiner Feder und mit ein wenig Hilfe und Unterstützung von da und dort ist nicht nur eine spannende Geschichte, sondern etwas sehr Besonderes entstanden – eine rundum ehrliche und authentische Biographie eines Mannes, der sich nicht unterkriegen lassen hat, der einmal gefasste Ziele stetig verfolgt – manchmal auch mit etwas „zwielichten“ Methoden – und vergangene Fehler, ohne zu zögern, eingestehen kann.

Unglaublicher Start ins Leben

Doch von vorne: Edis Geschichte beginnt 1947 in Maribor, und bereits auf den ersten Seiten des Schundheftes ist von so vielen Unwegsamkeiten und Schicksalsverstrickungen zu lesen, dass man sich inmitten eines Kriminalromanes fühlt. Der Vater wurde während der Taufzeremonie von Partisanen ermordet, die Mutter im Lager inhaftiert und das drei Monate alte Kleinkind in ein Waisenheim gebracht. Bis in die 90er Jahre sollte Edward im Glauben belassen werden, neben den Zieheltern keine leibliche Mutter mehr zu haben.
Bereits wenige Seiten später begleitet man den inzwischen sechsjährigen Buben auf seinem Weg vom Waisenheim in die neue Heimat Ljubljana. Von Mateus und Liza wurde er adoptiert, da er ihnen als singender Junge aufgefallen war: „Geben sie mir diesen Buben da. Ja, den, der so schön singt.“ Dieses Erlebnis steht sinnbildlich für viele weitere Begebenheiten, bei denen seine Talente rettend waren. So schreibt er selbst: „Mateus brachte mir neben vielen praktischen Dingen auch das Zaubern bei und Liza lehrte mich, auf der Mundharmonika zu spielen. Diese zwei Beschäftigungen stellen bis heute meinen Lebensinhalt dar. [...] möglicherweise retteten sie mir sogar das eine oder andere Mal das Leben, wenn ich seiner überdrüssig wurde.“

Auf der Flucht

Einen bedeutenden Part in der Geschichte nehmen seine unzähligen Fluchtversuche über die Grenze des damaligen Jugoslawiens ein. Zum Teil kaum vorbereitet aber mit dem festen Wunsch nach einem besseren Leben im Gepäck, waren diese von mehr oder weniger Erfolg gekrönt. Kein Asyl in Österreich, Abschiebung, Inhaftierung und ein erneuter Versuch zu Fuß bis Deutschland zu gelangen – da war Edward noch nicht einmal 18 Jahre alt. „Hungrig und durstig setzte ich mich in ein Wirtshaus. Nichts Bares in der Tasche malte ich stattdessen dem Wirt auf einem weißen Teller mit Filzstift ein Porträt. Das gefiel ihm sehr gut und er offerierte mir ein Essen. Satt und zufrieden fing ich an, auf meiner Mundharmonika zu spielen. Anwesende waren begeistert und sammelten in dem Hut DM 50,- für meinen ersten Auftritt in Deutschland.“
Ein ständiges Auf und Ab oder besser Hin und Zurück scheinen diese Jahre gewesen zu sein, und wenn man Edi heute fragt, wo er den Großteil seiner Künste gelernt habe, wird als erstes das Gefängnis genannt; er hätte wohl mehr Zeit dort verbracht als ich in der Schule. „Für die Polizisten und die Insassen malte ich schöne, nackte Frauen an die Gefängnismauern. Das hob die Stimmung dieses einsamen, gottverlassenen Ortes merklich.“

Die Höhen und Tiefen des Lebens

Unverblümt erzählt Edi neben seinem Pech und Glück auch von nicht besonders rühmlichen Taten, von vermeintlichem Schleppertum, von seiner Arbeit fürs Rotlichtmilieu, von Autounfällen, Fahrerflucht, Goldschmuckfunden und nicht beglichenen Finanzschulden. Alles kein Grund für Sympathiebekundungen und doch lassen ihn diese Eingeständnisse rundum glaubhaft und somit gewinnend wirken. „Wohl merke ich, dass die Leute mich manchmal für einen komischen Kauz halten, mich aber dennoch mögen.“ Wahrscheinlich ist gerade das mit ein Grund, warum er immer wieder auf Unterstützung stieß. Zu einer der wichtigsten Stützen in seinem Leben zählte eine in Lustenau lebende Frau namens Rosa, und in vielen Zeilen ist ein großes an sie gerichtetes „Danke“ zu lesen. „1971 nahm Rosa sogar einen kleinen Kredit für einen türkis-grünen VW Käfer auf. Ich war außer mir vor Freude und sogleich machte ich den längst überfälligen Führerschein.“

Angekommen

Bis er in den 90er Jahren dann endgültig in Lustenau seine Heimat fand und aus Edward Vidmar jener Musiker, Magier und vor allem auch Maler, der sich mit seinen (Wand-)Gemälden bis über die Grenzen einen Namen gemacht hat, wurde, ist noch viel passiert. Von Firmengründung (Bad 2000 – daher sein Name), Heirat, der Geburt seiner Tochter und auch dem Zusammentreffen mit seiner leiblichen Mutter im Rahmen einer Fernsehshow wird erzählt. Wenig findet man zu seiner Teilnahme bei der DSDS-Talente-Show, dafür erfährt man aber, dass es bereits 1987 im Rheintal Aufführungen dieser Art gab. Er erhielt den 2. Preis: „Meine Leistung bestand darin, den Handstand auf zwei Bierflaschen zu drücken, hin und her zu laufen und gleichzeitig auf der Mundharmonika zu spielen.“ Alle Achtung!
In den Erzählungen hört man immer wieder, wie wichtig es ihm war und ist, nicht nur in Vorarlberg anzukommen, sondern sich auch einzugliedern und Teil der Gemeinschaft zu werden. Im Boxverein war er nicht nur aktiv („Zum Kämpfen trainiert und bereit ließen wir uns ab und zu für DM 10,- in Deutschland ,die Schnauze polieren‘“), sondern auch als Trainer tätig, und jahrelang sang er im Männergesangsverein mit – alles nachzulesen im zweiten zu seiner Geschichte erscheinenden Schundheft. Dieses schließt dann auch mit einem Rückblick, einem Resümee, Vorsätzen, aber auch - besonders nett – mit dem Traum, dass seine Tochter bald wieder von Wien zurück nach Vorarlberg ziehen möge, neben seinem Wunsch nach einer Frau mit Rasenmäher einem wirklich sehr „vorarlbergerischen“ Wunsch.

Edi 2000: Die unglaubliche Geschichte des bekannten und großen Zauberers. Schundheft 42-2022 und Schundheft 43-2022, unartproduktion, geheftet, Euro 5

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zum Nachhören: www.cba.fro.at/podcast/gaul