Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Dagmar Ullmann-Bautz · 09. Okt 2022 · Theater

Wenn Äpfel Leben retten – ein großartiges Solostück im Vorarlberger Landestheater

Und wieder ein beeindruckender Theaterabend! Am Samstag, den 8. Oktober feierte die Soloperformance von und mit Vivienne Causemann Premiere in der Box im Vorarlberger Landestheater. „King Kong Vivienne“ ist eine ganz persönliche, eine sehr mutige Auseinandersetzung mit den Themen Frau werden beziehungsweise sein und den damit verbundenen Erwartungen und Zwängen. Die Schauspielerin Vivienne Causemann und die Regisseurin Fanny Brunner haben den Text im Probenprozess gemeinsam erarbeitet, haben Causemanns persönliche Geschichte in einen größeren Kontext gestellt. Entstanden sind 90 spannende Minuten – ehrlich, berührend, mitreißend und herrlich komisch.

Lustvolle Herangehensweise

Vivienne Causemann lebte jahrelang mit einer schweren Essstörung, hat zwischendurch nur von Äpfeln gelebt, wog irgendwann nur noch 37 kg, verbrachte viele Monate in diversen Kliniken und schaffte es schließlich, einen Weg aus dieser Sucht zu finden. Sie reflektiert sehr genau, in keiner Sekunde klagt sie oder macht irgendwelche Schuldzuweisungen, die Essstörung entlarvt sie als eine Art Verweigerung gegenüber gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Wie Brunner und Causemann das Thema präsentieren ist verdammt klug und die  lustvolle Herangehensweise der beiden Künstlerinnen und die Umsetzung bezeugen allerhöchste Qualität. Der Theaterabend selbst ist von größter Bedeutung, gibt es doch zahllose Mädchen, junge Frauen und zunehmend immer mehr auch junge Burschen und Männer mit Essstörungen.

Bunte Mischung

Texte und Lieder verschiedenster Autor:innen bereichern Viviennes persönlichen Erfahrungsbericht, ergeben eine bunte Mischung aus philosophischen, literarischen und humorvollen Auseinandersetzungen und Betrachtungen von Sexualität, Lust und dem weiblichen Körper.

Begegnung mit King Kong

King Kong, dem die Besucher:innen schon im Foyer begegnen dürfen, verweist auf die Beschäftigung mit Virginie Despentes „King Kong Theorie“. Despentes beschreibt in ihrer feministischen Streitschrift King Kong als ein Wesen jenseits geschlechtlicher Zuschreibungen und ideologischer Domestizierung. Vivienne hatte sich mit ihrer Sucht ganz klar diesen Zuschreibungen entzogen.

Tolle Songs spielerisch präsentiert

Die Schauspielerin Causemann beweist in dieser beeindruckenden Soloperformance ihr großes Können, ihre Vielseitigkeit, ihre Kreativität und ihren wunderbaren Humor. Neben aller Ernsthaftigkeit bereiten diese 90 Minuten auch ganz viel Freude und Spaß. Die Songs von Musiker und Komponist Jan Preißler überzeugen mit eingängigen, dynamischen Melodien und berührenden, witzigen Texten. Causemann spielt (Gitarre und Keyboard) und singt die Lieder kraftvoll, spielerisch und kontrastiert. Ihre Auferstehung des Literarischen Quartetts, das sich 1989 bereits in einmaliger Weise mit dem Roman „Lust“ von Elfriede Jelinek auseinandergesetzt hat, ist ein köstliches Remake dieses legendären Klassikers und schürt wieder ordentlich die Sehnsucht nach dieser einmaligen Kritikerrunde. Auch die Persiflage des Rededuells Verona Feldbusch versus Alice Schwarzer 2001 ist eine herrliche Attacke auf die Lachmuskulatur.

Eine Empfehlung

Alles in allem muss dieses Stück unbedingt weiterempfohlen werden, nicht nur für junge Menschen, auch Eltern und Großeltern werden Einsichten gewinnen und sich dabei noch großartig amüsieren.

Vorarlberger Landestheater: „King Kong Vivienne“ von Fanny Brunner und Vivienne Causemann (UA)
weitere Aufführungen:
12./15.10. und 28./29.12. jeweils 19.30 Uhr
Theater am Kornmarkt, Bregenz
www.landestheater.org