Derzeit in den Vorarlberger Kinos: The Zone of Interest (Foto: Filmcoopi Zürich)
Karlheinz Pichler · 02. Dez 2015 · Literatur

Der Bildraum als Raum des eigenen Empfindens - tOmi Scheiderbauer setzt seinem Vater Curt Scheiderbauer ein liebevolles Denkmal

Curt Scheiderbauer war Künstler und Grafiker. Vor etwas mehr als drei Jahren ist er im Alter von 75 Jahren an den Folgen eines Krebsleidens gestorben. Von der Berufsvereinigung Bildender Künstler dereinst zu Unrecht abgewiesen, hat er ein umfangreiches, schillerndes, verspieltes und von sehr persönlicher Lust und Launen diktiertes Œuvre hinterlassen. Sein Sohn Thomas (tOmi) Scheiderbauer, als Gründungsmitglied der Künstlergruppe c a l c (Casqueiro Atlantico Laboratoria Cultura) in der internationalen Kunstszene bestens verortet, hat den Nachlass seines Vaters, der ihm gleichzeitig auch ein guter Freund war, aufgearbeitet und ein außergewöhnliches Buch über dessen Schaffen zusammengestellt. Ein ganzes Jahr lang hat er recherchiert, Material zusammengetragen, ausgewertet und analysiert und das Ganze zu einem 400 Seiten starken Werkbuch verdichtet. Auch sämtliche, sehr eigenwillige und lesenswerte Texte stammen von ihm. Die Motivation zu diesem Wälzer sei letztlich dem Wunsch geschuldet, dem leidenschaftichen und lebenslangen künstlerischen Werken seines Vaters „eine gebührende Monographie zu widmen, welche dafür sorgt, dass seine Kunst mit weniger Wahrscheinlichkeit in Vergessenheit gerät“, erläutert tOmi Scheiderbauer im Gespräch.

Wie er weiters betont, habe er sich bei der Konzeption der Monografie ganz vom Denken seines Vaters leiten lassen und versucht, eine Publikation zu kreieren, die genauso gut von diesem selber hätte stammen können. Als hätte ihm Curt Scheiderbauer das gestalterische Momentum selber eingeflüstert, sehe er sich auf eine gewisse Art und Weise wie dessen ausführendes Werkzeug. Das beginne bereits beim Einband, der in denselben fünf Farben gesiebdruckt wurde, wie sie die fünf Bildräume aufweisen, in die das Buch gegliedert ist. tOmi Scheiderbauer: „Siebdrucker war Curts erster Job, nachdem ihm seine eher ‚zufällig‘ entstandenen Kinder keine andere Wahl ließen, als sich einen zu suchen. Mir gefiel die Idee, dass die ‚fünf Bücher‘, zusammen betrachtet, aussehen, als wären sie eine späte Skulptur von Curt.“

Fünf Bildräume

Als Grafiker war Curt Scheiderbauer stark der alten „Basler Schule“ verhaftet, für die eine stark reduzierte Formalsprache kennzeichnend war. Logischerweise wirkte diese „Herkunft“ auch auf das künstlerische Schaffen Scheiderbauers nach. Seine Arbeiten zeugen von einem enormen Gefühl und Gespür für Farben. In der Umsetzung auf die Leinwand erzielte er damit eine überaus intensive, ja teils plakative Wirkung.
Die fünf „Bildräume“, in die das Künstlerbuch unterteilt ist, zeichnen in großen Zügen die wesentlichen künstlerischen Entwicklungen Curt Scheiderbauers nach. War der Beginn seiner Malerei von stark emotionalen und expressiven Gesten geprägt, so setzten sich im weiteren Verlauf immer mehr schlichtere und vor allem geometrisch-abstrakte Grundanliegen durch. tOmi Scheiderbauer hat für das Buch zahlreiche Beispiele ausgewählt, die diesen Verlauf von der Expressivität hin zur Geometrie veranschaulichen.
Wie Curt Scheiderbauer, dessen letzte zehn Lebensjahre die produktivsten waren und der auch bei mehreren „c a l c“ – Projekten mitgearbeitet hat, einmal selber konstatiert hat, ist seine Malerei „theoretisch eine Auseinandersetzung und praktisch eine Zusammensetzung aus Farbe und Licht“. Es interessierte ihn, wie diese unzertrennlich miteinander verbundenen Faktoren in der Lage sind, Raum und Räume hervorzubringen. Und trotz der sukzessiven Entwicklung hin zum geometrischen Bildraum, behielt die Malerei für ihn stets einen existentiellen und von Empfindungen geleiteten Grundtenor. Mit jedem Bildraum, dem er in der Vorstellung voraus- und malend hinterher-fühlte, tat sich für ihn gleichsam ein Raum des eigenen Empfindens auf, wie er es selber ausdrückte. Scheiderbauer: „Mich der Malerei zu öffnen ist gleichbedeutend wie mich von der Malerei öffnen zu lassen. Dabei folge ich aber keinem Farben- oder Formensystem, keiner malerischen Grammatik, sondern einzig und allein meiner Erfahrung und meinem Gefühl im Moment, in dem wieder ein ‚innerer’ Raum auf eine äußere Oberfläche drängt.“ Und in Anlehnung an ein Wittgenstein-Zitat hielt er für sich fest: „Worüber wir nicht sprechen können, darüber müssen wir schweigen – oder malen.“

„Der Ästhetik überschaubarer geometrischer Formen und wohl überlegt ausgewählter Farben war er als Grafiker verhaftet – dies ist weitgehend auch in seinen künstlerischen Arbeiten bestimmend“, heißt es im biografischen Lexikon „Bildende Kunst in Vorarlberg 1945 – 2005“. Curt Scheiderbauers Werk ist schillernd. Nach Ansicht von tOmi Scheiderbauer ist aber dieses „Schillernde“ oft als seine Schwäche kritisiert und interpretiert worden. Er aber empfinde dieses Faktum, „dass er sich immer wieder hemmunglos an die Sicht und Art von Kollegen anlehnte und es malerisch nachempfand, nach dem intensiven Arbeitsjahr an diesem Buch als seine zentrale Qualität“. Diese „Aneignung“ ist bei Curt Scheiderbauer jedenfalls auf fruchtbaren Boden gefallen. Dies wird in der Werkmonografie evident. Und wenn ein Sohn seinem Vater auf so liebevolle Weise ein Denkmal setzt, so kann man nur hoffen, dass dies auch in der Öffentlichkeit auf einen entsprechenden Nährboden fällt und einen weiteren Rezeptionsschub zum Schaffen Curt Scheiderbauers auslöst.

Reinerlös an HOKI

Die Publikation wird am 10. Dezember um 19.00 Uhr im vorarlberg museum in Bregenz der Öffentlichkeit präsentiert. „Passend zur Vorweihnachtszeit soll das Buch eine bunte, warme Semmel werden“, so tOmi Scheiderbauer. Wobei der Reinerlös zur Gänze an die „HOKI“ (Hospizbegleitung für Kinder, Jugendliche und Eltern) geht. Und da könnte einiges zusammenkommen, waren doch die Herstellkosten des monografischen Werkes bereits vor Drucklegung unter Dach und Fach. Wobei 90 Prozent der Finanzierungskosten allein Martin Hilti übernommen hat. Dazu muss man anfügen, dass Curt Scheiderbauer die letzten dreizehn seiner Berufsjahre vor der Pensionierung als Art Director in den Diensten des Befestigungstechnik-Konzerns Hilti im liechtensteinischen Schaan stand. In dieser Zeit kaufte Michael Hilti auch etliche künstlerische Arbeiten Scheiderbauers für seine Privatsammlung an. Er hielt große Stücke auf seinen künstlerischen Leiter.

 

Curt Scheiderbauer
Monografie
Hrsg. u. gestaltet v. tOmi Scheiderbauer
400 Seiten
Präsentation: 10.12., 19 Uhr, vorarlberg museum