Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Karin Jenny · 07. Jun 2011 · Literatur

Das Lachen der Hühner

Ein kleiner Lyrikband mit Sonetten handelt von Liechtenstein. Geschrieben von Stan Lafleur, dem Autor, der in Köln am Rhein lebt und sich den Rhein zum Bruder machte. Unzählige Veröffentlichungen erzählen von dieser Affinität. Ein möglicher Grund, warum er für einige Monate in Liechtenstein lebte und als Stipendiat der Kulturstiftung Liechtenstein seinen Blick auf das Fürstentum warf.

In dem kleinen Band „Das Lachen der Hühner“ veröffentlicht Stan Lafleur  elf Gedichte/Geschichten, symbolisch für die elf Gemeinden Liechtensteins. Ergänzt werden die Texte durch Scherenschnitte von Helena Becker, die jede der elf Gemeinden Liechtensteins darstellt. Ihre Arbeiten sind losgelöst von den Texten Lafleurs entstanden und bilden einen eigenartigen Kontrast zu dessen sperrigen Texten.

„Fast keine Stimmung vorhanden. Autos parken
ein und aus. tauschen ihre schnell vergänglichen Menschen
in den Pausen dazwischen erneuert sich, ziellos, der Mittag
breiige Sonne, die mit zwei überschüssigen Strahlen die
Fahrbahn beschiesst: Softeis schmilzt auf Asfalt, die Strassen
fliessen sanft entlang an warmgestellten Einfamilienhäusern
vereinzeltes Himbeerblinken, bisweilen durchsegelt die
Luft ein ausgebleichter Geldschein. Wo liegt morgen,
wo gestern, wo heute?......“

Befindlichkeit der „Fremdstauner“

Soviel zu Nendeln, dem Strassendorf im Liechtensteiner Unterland. Lafleur nimmt in seinen Texten die Befindlichkeit der „Fremdstauner“ auf, jener Auswärtigen, die der Tristesse dieses Straßendorfes erliegen. „Bremsspurenmandalas zieren Abzweige zu Seitenstrassen ...“ Lafleur schmückt seine Sprache aus, als ob er dem Dorf dadurch einen neuen Glanz geben wollte, als ob es ihm Leid tun würde, dass der Glanz nicht von selbst da ist. Die von ihm gewählte Interpunktion, die Anfänge mittendrin, das Mittendrin am Anfang verstärken die spröde Atmosphäre, die allem innewohnt. Er setzt die Syntax gegen die Form, das heißt, Lafleur geht damit über die Form hinaus. Er benutzt eine traditionelle lyrische Form, „... geruch gärenden geldes“, nämlich die des Sonetts und setzt eine kritisch beobachtende Alltagssprache dagegen.

Schmückende Wörter und entlarvende Gesten

Seine Texte zu Eschen, Triesen oder anderen Orten sind nicht weniger sperrig, gleichwohl erlebt man sie als schön, wenn man es mag, dass da einer den Spagat zwischen schmückenden Wörtern und entlarvenden Gesten macht. Lafleur entlarvt, kennt kein Erbarmen und scheint doch ein Liebender zu sein, einer, der das, was er so schonungslos beschreibt, liebt.
Vielleicht ist es dieser gelungene Spagat, der diesen kleinen, von schlichten Klammern gehaltenen Band so einzigartig macht. Vielleicht ist es auch deshalb, weil Liechtenstein so schroff keiner beschreiben würde, der in dieser Rheinregion beheimatet ist. Der Rhein in diesen Breitengraden zeigt anderes als jener um Köln. Keine Erkenntnis, die vom Hocker haut – aber eine Möglichkeit, frühere Einfachheit aufzuspüren, sie heute noch zu orten und ihr eine Sprache zu geben. Lafleur schenkt Liechtenstein mit diesem Bändchen ein wunderbares sprachliches Werk, das lange nachklingt.
Die Scherenschnitte der Liechtensteiner Künstlerin Helena Becker nehmen architektonische Einzelheiten der jeweiligen Gemeinde auf – sie sind gut gemacht, scheinen aber den Weg in diesen Band eher zufällig gefunden zu haben. Es irritiert zuweilen, weil Bild und Text so nichts miteinander zu tun haben. Die Scherenschnitte geben den Texten keinen Mehrwert und umgekehrt – man wünschte sich einen eigenen kleinen Band, in dem die Scherenschnitte ihre eigene Sprache entfalten könnten.

Stan Lafleur/Helena Becker, Das Lachen der Hühner“, Parasitenpresse, Köln 2011