Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 12. Jun 2011 · Film

Russland - Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane

Die fantastischen Bilder von Flora und Fauna Russlands sind die große, aber auch einzige Stärke von Jörn Rövers Dokumentarfilm, dünn bleibt dagegen der Informationsgehalt von Siegfried Rauchs Kommentar und beliebig ist auch die Abfolge der einzelnen Szenen.

Seit den Dokumentarfilmen von Jacques Perrin über Insekten („Mikrokosmos“) und Zugvögel („Nomaden der Lüfte – Das Geheimnis der Zugvögel“) feiert der Naturfilm eine gewisse Renaissance.  Die elfteilige BBC-Dokumentarfilmserie „Planet Erde" kam 2008 auf 100 Minuten gekürzt als „Unsere Erde“ in die Kinos und 2009 folgte Perrins „Unsere Ozeane“. Auch „Russland“ entstand ursprünglich als sechsteilige Fernsehserie und die Superlative wie dreieinhalb Jahre Produktionszeit, zehn Kamerateams, 6000 Stunden Rohmaterial, 50 Stunden Flugaufnahmen oder 1200 Drehtage, mit denen nun die 90-minütige Kinoversion beworben wird, beziehen sich auf die 270 Minuten lange Serie "Wildes Russland".

Grandiose Einzelszenen, blumige Sprache

Vom Winter über Sommer und Herbst bis wieder in den Winter spannt Jörn Röver den Bogen. So ist dieser Dokumentarfilm zeitlich schlüssig aufgebaut, erlaubt sich aber – wohl nicht zuletzt verursacht durch den Zusammenschnitt der Serie - geographisch völlig willkürliche Sprünge von Kamtschatka in den Kaukasus oder vom Ural zum Baikalsee. Überblick über die Geographie Russlands bekommt man so nicht, kann sich aber von grandiosen Einzelszenen begeistern lassen.
Da vermittelt schon gleich einmal eine fantastische Flugaufnahme eine Ahnung von der Größe Russlands, ehe der Film in die winterliche Eiswüste eintaucht. Hautnah ist die Kamera an Eisbären, Robben und Wölfen dran. Doch wenn der Kommentar von Siegfried Rauch einsetzt, wird es bald problematisch. Wenn nämlich Raben sich am Rodeln erfreuen, wenn einem Amurtiger Gedanken zugeschrieben werden, wird die Tierwelt unpassend menschlich und putzig. Blumig wird zudem die Sprache, wenn es heißt „das Land ist gefangen in einem gläsernen Sarg“ oder „der eisige Atem des Winters hat sein erstes Werk getan.“

Jagdszenen und witzige Momente

Weniger Informationen vermitteln als vielmehr Gefühle beim Zuschauer wecken soll offensichtlich der Kommentar, soll den Kinobesucher am Geschehen auf der Leinwand teilhaben lassen. Was man zu sehen bekommt ist freilich spektakulär. Mal taucht die Kamera in die bizzare Welt des Arktischen Meeres ab, mal fängt sie in Zeitlupe den Kampf zweier Adler oder die Lachsjagd von Bären ein, ist dabei, wenn zwei Moschusochsen bei ihrem Revierkampf mit 50 km/h aufeinander krachen.
Wie oft beim Tierfilm sorgen so immer wieder Jagd- bzw. Fluchtszenen für Spannung, muss sich doch eine junge Lumme vor einem Polarfuchs ebenso in Sicherheit bringen wie ein Robbenbaby vor einem Einsbären im Eismeer in Sicherheit bringen oder ein Zobel in seinen Bau vor einem Fuchs fliehen. Und wie gewohnt dürfen dabei auch witzige Momente nicht fehlen, wenn beispielsweise Bären ein Bienennest ins Visier nehmen.

Kurzatmige Abfolge spektakulärer Szenen

Nicht nur die großen Tiere haben aber die Kameras eingefangen, sondern auch den Desman, einen Wassermaulwurf im Ural, einen Schwarm von Eintagsfliegen, eine Krötenkopfagame, die sich durch Bewegungen blitzschnell im Sand einbuddelt, oder Weichschildkröten in Ussurien.
Verbunden werden die einzelnen Tierszenen durch Flugaufnahmen, die einen Eindruck von der grandiosen Landschaft und Flora vermitteln. Keinen Funken von Zivilisation gibt es in diesem Film, sondern nur Natur: Endlose Wälder, spektakuläre Flusslandschaften, Vulkane auf Kamtschatka, den gewaltigen Baikalsee und die Eiswüste des ostsibirischen Winters.
Kurzatmig folgen so ohne zwingendes Konzept einzelne Szenen aufeinander. Mit optischen Sensationen versetzt „Russland – Im Reich der Tiger, Bären und Vulkane“ den Zuschauer in Staunen und überwältigt ihn, lässt ihm aber nie die Zeit in diese Welt wirklich einzudringen. In starkem Kontrast zu den spektakulären Bildern stehen dabei wie schon erwähnt der dürftige Kommentar und eine Musik, die permanent das Gezeigte feiern will, kaum aber eine der grandiosen Aufnahmen in Stille für sich stehen lässt. - Ein Film wie ein Hochglanz-Bildband mit wenig Text.