Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Raffaela Rudigier · 12. Dez 2018 · Literatur

Angewandte Idiotie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten - Schundheft Nr. 24 „Don the moron“ von Kurt Bracharz

Was man gestern noch für unmöglich hielt, ist heute schon völlig normal. Zum Beispiel, dass ein US-amerikanischer Präsident Dinge wie „Grab’em by the pussy“ sagt, dass er äußerst fragwürdige Personen in die wichtigsten politischen Ämter hievt oder dass Ausländerhass eine ganz normale politische Haltung ist. Vor einigen Jahren haben diese Dinge immerhin noch für Aufregung gesorgt. Mittlerweile sind sie im politischen Geschäft allgegenwärtig und erscheinen nur noch als Hintergrund-Rauschen in den täglichen Nachrichten. Erschreckend, wie man sich Tag für Tag, Stück für Stück, an eine derartige Realität gewöhnt. Umso wichtiger ist es, die Zusammenhänge und Hintergründe zu kennen. Zu verstehen, wie und warum alles so gekommen ist und welche Leute da aus welchen Gründen an sehr wichtigen Positionen sitzen. Da die Vereinigten Staaten das politische Weltgeschehen maßgeblich mitbestimmen, richtet sich der Blick auch dorthin.

Spott und schwarzer Humor

Dabei sind Spott und schwarzer Humor in diesen Zeiten durchaus adäquate Mittel, um nicht an der Wirklichkeit zu verzweifeln. Und hier kommt der Vorarlberger Autor und Journalist Kurt Bracharz ins Spiel. „Die USA sind tatsächlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, zumindest was angewandte Idiotie betrifft“, schreibt er beispielsweise in einer seiner Kolumnen. Einige davon sind soeben gesammelt im 24. „Schundheft“ unter dem Titel „Don the moron“ (also in etwa „Don der Trottel“) erschienen. Die Texte darin stammen aus Bracharz’ Internet-Kolumne „Znort“ und beziehen sich allesamt auf die USA.

Da fehlen ein paar Ganglien

Das Titelblatt ziert eine Collage mit einem Foto des Präsidenten Donald Trump und es ist unschwer zu erraten, wer der Trottel ist, von dem auf den nächsten 80 Seiten oft die Rede ist. „Trump wird als bösartiger Narzisst eingeschätzt, als ungebildeter Rüpel und als neureicher Proll. Er muss aber auch dumm sein. Wenn jemand wirklich US-Präsident werden will, dabei auf die Stimmen der Latinos angewiesen ist und sich dann öffentlich die Bemerkung nicht verkneifen kann, die kolumbianische Miss Universe sei bestenfalls eine ‚Miss Putzfrau’, dann reicht Unbeherrschtheit als Erklärung nicht aus, da fehlen wohl doch ein paar Ganglien. Zur Präsidentschaft würde es aber allemal reichen, schließlich ist Trump doch immer noch schlauer, als es George Bush jun. jemals war.“ So schreibt Kurt Bracharz am 7.11.2016, einen Tag bevor Donald Trump die Wahlen gegen Hilary Clinton gewinnt.

Ein reaktionärer Supreme Court

Die 23 gesammelten Kolumnen beginnen im Jahr 2007 und enden im September 2018. Der Rückblick auf diese Zeit gibt dem Autor oft Recht und beweist sein politisches Gespür. „Das Recht auf Abtreibung könnte vom Supreme Court gekippt werden, wenn sich die Nachbesetzungen häufen: Antonio Scalia ist im Februar gestorben und Obamas Nachbesetzungskandidat verhindert worden, und drei weitere Richter sind 78, 83 und 80 Jahre alt und werden möglicherweise in Trumps Amtszeit sterben, worauf der Supreme Court mit Trump-Leuten vollends reaktionär würde. Überflüssig zu sagen, dass die Waffengesetze bleiben, wie sie sind.“ Die kürzlich erfolgte umstrittene Ernennung Brett Kavanaughs zum Richter am Obersten Gerichtshof der USA unterstreicht diese Beobachtungen.

Vom 100-jährigen Klausner aus der Funklochklamm

Es sind genaue Analysen und scharfsinnige Beobachtungen der US-amerikanischen Politik, die Kurt Bracharz’ Kolumnen auszeichnen. Interessante Begebenheiten werden berichtet, Zusammenhänge hergestellt, und Hintergrund-Wissen und kuriose Fakten lassen oft staunen. Bracharz’ gewohnt spitzzüngige Kommentare und sein Sprachwitz lassen einen hier und da auch mal laut auflachen. Zum Beispiel wenn Kampagnen von einem reaktionären „Dreckschleuderverein“ angeprangert werden, oder wenn etwas auch dem „100-jährigen Klausner aus der Funklochklamm“ bekannt sein müsste.
„Nebenbei bemerkt: Wenn Trump einem Attentat zum Opfer fiele, des Amtes enthoben oder freiwillig zurückträte, würde mit seinem derzeitigen Vize Mike Pence ein Mann US-Präsident, der sich selbst als ‚Christ, Konservativer und Republikaner – in dieser Reihenfolge’ beschreibt. Er glaubt, dass die Welt 6000 Jahre alt ist und Noah aus Platzgründen schlauerweise nur kleine Dinosaurier mitgenommen hat. Europäische Katholiken und Protestanten sollten beten, dass Trump die ganze Präsidentschaft lang durchhält.“

Collagen und Tarotkarten

Das Schundheft zieren amüsante Illustrationen, zum Teil Fundstücke, zum Teil aus der Hand des Autors selbst. Es sind Collagen, Tarotkarten, Experimente mit dem Kinderzeichenprogramm KidPix und anzügliche Seiten aus den sogenannten Tijuana Bibles (so nannte man kleine pornographische Heftchen, meist 8-Seiter, die früher von Staubsaugervertretern in den USA verteilt wurden und in denen meist amerikanische Persönlichkeiten verballhornt wurden). Alles in allem ist das Schundheft Nr. 24 also ein gelungener Mix aus Text und Bild, aus ernsthaften politischen Beobachtungen und witziger Spöttelei.

Trumps ambivalentes Gequassel

„... es dürfte jedem klar sein, dass selbst Trump Recht haben kann, so wie eine stehen gebliebene Uhr zweimal am Tag einen Moment lang die richtige Zeit anzeigt. In all dem krausen Zeug, das der amerikanische Präsident ununterbrochen von sich gibt, sind klarerweise auch vernünftige Aussagen und Forderungen enthalten, es ist einfach soviel ambivalentes Gequassel, dass nicht alles ein solcher Stumpfsinn sein kann wie zum Beispiel seine Kommentare zu Theresa May, Boris Johnson und zum Brexit.“

Schundhefte – ein Quell der Heiterkeit

Die Schundhefte aus der unartproduktion sind oft ein Quell der Heiterkeit. Das unkonventionelle Format allein macht schon Freude: 80 Seiten im Postkartenformat erscheinen fünf Mal pro Jahr als „Schundheft“. Gestaltet werden Schundhefte von einem bunten Potpourri unterschiedlicher Leute, darunter Literaten, Künstler, Mundart-Dichter oder Wissenschaftler. Ein gesellschaftspolitischer Bezug, der aber nicht unbedingt direkt sein muss, ist die Grundnote der kleinen Hefte. Bisher sind 24 Schundhefte erschienen.

Erhältlich unter www.schundheft.at oder www.unartproduktion.at