Uraufführung des Stückes „Stromberger oder Bilder von allem“ im Vorarlberger Landestheater (Foto: Anja Köhler)
Annette Raschner · 21. Okt 2020 · Literatur

15 Jahre „miromente“: „Wir sind eine Vorarlberger Literaturzeitschrift mit regionalem Schwerpunkt und internationalem Anspruch“

Die „miromente“ feiert heuer ihr fünfzehnjähriges Bestehen. Mit der Sonderausgabe „Cara Roberta“ startet die Vorarlberger „Zeitschrift für Gut und Bös“ in die nächste Periode. Es handelt sich dabei um eine Kooperation mit den Literaturhäusern von Liechtenstein, Südtirol, St. Gallen und Vorarlberg. Annette Raschner hat mit Autor und „miromente“-Herausgeber Wolfgang Mörth gesprochen.

Wolfgang Mörth: Die neue Sonderausgabe wurde von Frauke Kühn, der Geschäftsführerin des entstehenden Vorarlberger Literaturhauses, initiiert. Sie hatte die Idee, eine alte Form, die Briefform, wiederaufleben zu lassen, nachdem sie derart viele Blogs in den Zeiten von Corona gelesen hat.
Frauke Kühn hat Briefwechsel zwischen Autorinnen und Autoren, die in Vorarlberg oder woanders leben, angeregt. Wir haben schließlich angeboten, eine „miromente“-Sondernummer daraus zu machen.
Annette Raschner: Kooperationen haben Sie als Herausgeber der Literaturzeitschrift des Öfteren angestrebt; etwa auch mit den Veranstaltern des Harder Literaturwettbewerbs.
Mörth: So ist es. Die „miromente“ sind auch ein wirksames Gefäß für literarische Texte, die in verschiedenen Zusammenhängen entstehen. Die Kooperation mit Hard hat vor acht Jahren begonnen und sich bis heute bewährt. Heuer fand sie zum dritten Mal statt und hat uns dazu bewogen, es auch mit anderen Initiativen wie dem Kleinwalsertaler Literaturfest zu probieren.
Raschner: Literaturzeitschriften haben es bekanntermaßen schwer. Der im Mai verstorbene Schriftsteller und Herausgeber der „Manuskripte“, Alfred Kolleritsch etwa, hat jahrzehntelang um den Erhalt der Literaturzeitschrift gekämpft. Wie sehen Sie diese Problematik?
Mörth: Wir sind vor fünfzehn Jahren angetreten, weil wir den Eindruck hatten, dass es in Vorarlberg eine Lücke für Autorinnen und Autoren gibt, die hier arbeiten. Natürlich haben wir anfangs nicht in erster Linie an das Überleben der Zeitschrift gedacht. Wir haben angefangen und geschaut, was dann passiert. Anfangs haben wir auch noch auf öffentliche Förderungen verzichtet und relativ schnell einen Abonnentenkreis von zirka 500 erreicht. Was wirklich beachtlich ist, vor allem für ein regionales Zeitschriftenprojekt! Aber wir haben unterschätzt, wie viel Arbeit damit zusammenhängt und auch, was die finanzielle Deckung des Ganzen anbelangt. Deshalb haben wir uns irgendwann dafür entschieden, doch um Förderung anzusuchen. Der Bund unterstützt uns seit über zehn Jahren, seit heuer sind es auch das Land und die Stadt Bregenz.

Einladungszeitschrift mit unterschiedlichen Genres

Raschner: Der Arbeitsaufwand ist allein deshalb sehr groß, weil Sie sich an interessante Autorinnen und Autoren wenden und nicht umgekehrt?
Mörth: Mittlerweile erhalten wir auch ungefragt zahlreiche Texte, weil wir uns eine gewisse Position in der deutschsprachigen Literaturszene erarbeitet haben. In der Regel drucken wir solche jedoch nicht ab. Wir sind eine Einladungszeitschrift. Wir beobachten den regionalen, aber auch den nationalen Raum und schauen, wo es interessante Autorinnen und Autoren gibt; vor allem auch jüngere. Dann treten wir an diese heran und versuchen, sie für unser Projekt zu begeistern. In der überwiegenden Zahl bekommen wir dann auch Texte zur Verfügung gestellt und bislang stets ohne Honorarforderung.
Raschner: Es sind fast alle literarischen Genres versammelt – und auch die Zeichnung spielt in der „miromente“ eine nicht unbedeutende Rolle?!
Mörth: Anfangs, als Ulrich Gabriel noch Redaktionsmitglied war, waren es dessen Mauszeichnungen. Später haben sich auch andere Künstlerinnen und Künstler angeboten, und wir haben eine eigene Rubrik geschaffen, über die auch bildende Künstler*innen ihre Geschichten erzählen können. Diese Schiene hat sich bewährt, auch im Zusammenhang mit unseren Auftritten bei Messen, wo die Leute kaum Zeit zum Lesen finden, ihnen aber Bilder ins Auge stechen. Bei Messen verkauft sich die Zeitschrift eher über die Zeichnungen als über die Texte.
Raschner: Auch die Lyrik findet immer wieder in die Zeitschrift Eingang. Sie hat es bekanntlich besonders schwer, von Verlagen publiziert zu werden.
Mörth: Die Literaturzeitschrift ist eigentlich das einzige Medium, in dem Lyrik überhaupt noch zur Kenntnis genommen wird. Lyrikverlage werden immer weniger, lyrische Einzelpublikationen werden zwar gedruckt, fristen aber ein absolutes Nischendasein. Es gibt in Vorarlberg durchaus eine beachtliche lyrische Produktion, die wir auch abzubilden versuchen.

Veränderungen im Redaktionsteam

Raschner: Das Redaktionsteam der ersten Stunde bestand aus Ihnen, Daniela Egger, dem heuer verstorbenen Kurt Bracharz und Ulrich Gabriel. Wie rege wurde da diskutiert?
Mörth: Wir haben uns mit Redaktionssitzungen eigentlich zurückgehalten. Unsere Treffen fanden stets dann statt, wenn wir gemeinsam die Zeitschriften eingesackelt haben. Vier Mal im Jahr hatten wir diesen jour fixe, bei dem stets viel diskutiert wurde. Auch weil wir natürlich zum Teil unterschiedliche Ansichten hatten, was die inhaltliche Ausrichtung anbelangt. Aber wir haben immer ein kleines Fest aus diesen Treffen gemacht.
Vom ursprünglichen Gründungsteam bin ich als Einziger übriggeblieben. Das hat aber nichts mit einem Streit oder einem Konflikt zu tun, sondern war ein natürlicher Prozess. Vor fünf Jahren stand das Projekt dann einmal an der Kippe, und ich habe mir überlegt aufzuhören oder es zu übergeben, aber die Emotion, die für mich mit dem Projekt zusammenhängt, ist nicht so einfach übertragbar.
Mittlerweile habe ich zum Glück Unterstützung von Sarah Rinderer erhalten. Sie ist nicht nur Autorin, sondern auch bildende Künstlerin und Grafikerin. Sie macht die ganze Gestaltung und kann natürlich auch die Texte beurteilen. Es ist ein Segen, dass sie dabei ist! In Zukunft möchte ich, dass mehr Autor*innen aus der „Jungen Szene“ als Herausgeber in Erscheinung treten. Sie sollen langsam hineinwachsen und wer weiß: Vielleicht wird der eine oder andere einmal meine Arbeit übernehmen.
Raschner: Das Schöne am Lesen von Literaturzeitschriften besteht auch darin, gewisse Trends erkennen zu können. Wie wichtig ist Ihnen dieser Punkt?
Mörth: Ich behaupte nicht, dass wir immer den Puls an der literarischen Zeit im deutschsprachigen Raum haben. Für mich persönlich ist es wichtiger, Texte zu publizieren, die ich selbst gerne lese. Es gibt literarische Strömungen, die heute von Bedeutung sind, die vielleicht auch mehr in Richtung Experiment gehen, die mich aber nicht interessieren. Es kann also schon sein, dass das, was publiziert wird, mit dem zusammenhängt, was Autor*innen zurzeit unter den Nägeln brennt: Es muss aber nicht sein.

Annette Raschner ist Redakteurin des ORF-Landesstudios Vorarlberg

www.miromente.at