Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Thorsten Bayer · 15. Dez 2013 · Kleinkunst, Kabarett

Wenn einer eine Reise tut... – der FM4 Ombudsmann am Spielboden

Seit 2006 ist der FM4 Ombudsmann auf Sendung und hat in dieser Zeit den Hörern unzählige – mehr oder weniger praktische – Antworten auf ihre drängendsten Fragen gegeben. Nun lädt er auch vor Ort zur Sprechstunde, musikalisch unterstützt von Sleep Sleep. Am Samstagabend war Hosea Ratschiller, der Mann hinter der Ombudsmann-Maske, zu Gast in Dornbirn und schlüpfte in weitere Rollen.

„Das Leben ist in den vergangenen Minuten deutlich schwieriger und unverständlicher geworden. Plötzlich sollen wir uns überall auskennen und alles können und nie ist eine Ruhe! Unsere Möbel sollen wir selber zusammen bauen, unseren Job selber erfinden, aber in der Messe dürfen wir nur die Fürbitten mitgestalten?! Und nach unserer Meinung werden wir überhaupt nur mehr alle fünf Jahre einmal gefragt?! Das versteht kein Mensch!“, beschreibt der Pressetext die Ausgangslage des dritten Soloprogramms von Hosea Ratschiller. Es kann folglich nur eines und einen geben: „Der ORF hat sich entschlossen, schnell und unbürokratisch auf die prekäre Gesamtsituation zu reagieren und schickt seinen charmantesten Universalgelehrten auf Außendienst.“

Neues aus Kalau


Als musikalischer Sidekick ist das Duo Sleep Sleep mitgekommen, oder wie es der Ombudsmann selbst formuliert: „Die Band hat mir FM4 aus dem Fundus mitgegeben“. Ihr Beitrag zur Show hält sich in Grenzen, nur sehr gelegentlich greifen die beiden Herren zu Mikrofon, E-Gitarre und Synthesizer. Im Zentrum steht eindeutig der Ombudsmann, der den großen Saal des Spielbodens mit hellem Anzug, Fliege, einem alten Reisekoffer und einem Blumenstrauß betritt. Schnell wird ein Kontrast deutlich. Auf der einen Seite ist da der hohe selbstauferlegte Anspruch, „Europa völlig neu zu gründen, inklusive Demokratie“. Auf der anderen Seite kommen Kalauer wie „Nachher ist jeder klüger – außer vielleicht der Selbstmordattentäter.“ Ein anderes Beispiel: „Wie heißt der deutsche Sexminister? Hans-Dietrich Gender.“

Neue und alte Fragen


FM4-Fans aus dem Rheintal haben an diesem Abend die Qual der Wahl: Im Conrad Sohm spielt und legt John Megill zeitgleich auf. Der Radiokollege Ombudsmann hat eine treue Anhängerschaft, der Spielboden ist gut besucht. Das Publikum hat die Chance, Ombudsmann Erich live Fragen zu stellen. Ein reizvolles Angebot, das jedoch nur wenige nutzen. „Warum müssen wir so viel sparen?“, will dann doch ein junger Mann aus der ersten Reihe wissen. „Warum sagt jeder: ‚Zeit ist Geld’?“, fragt sich eine andere. So bestreitet Ratschiller, der es auch an Witzen über seine Kärntner Heimat nicht fehlen lässt, den größten Teil des Programms mit vorbereiteten Fragen und Antworten.

Mag. Helga Kalthuber beispielsweise ist vom „ewigen Bussi links, Bussi rechts enorm genervt. Wo kommt das eigentlich her? Und wieso reicht nicht ein Bussi auf eine Wange?" Der Ombudsmann holt zu einer interessanten und pointierten Antwort aus: „Liebe Helga, der Ursprung des Kusses auf den Mund ist ein durchaus profaner und doch intimer: Die Eltern zerkauen das Essen für ihr Kind und erleichtern ihm so die Nahrungsaufnahme. Von Mund zu Mund findet die Mahlzeit ihren Weg in den Stoffwechsel des Nachwuchses. Im Laufe der Zeit entwickelte sich aus diesem Vorgang eine Geste des Vertrauens und der geteilten Wertschöpfung. Rudimente ihrer Provenienz kannst du nachempfinden, wenn ein Adressat deiner Zungenküsse die Zahnpflege vernachlässigt. Das Bussi auf die Wange hingegen drückt diametral Gegenteiliges aus. Wir prüfen nach: Wie viel Nahrung ist in den Backen des Gegenübers gespeichert? Wird es sich lohnen, seinen Schädel zu spalten, um Brot darin vorzufinden? Eine Geste also von Misstrauen und Neid, die schnell und unbürokratisch zum tätlichen Angriff verdichtet werden kann.“

Jessica und Florian Finster


Immer wieder stößt er, scheinbar beiläufig, interessante Punkte an. So begegnet er der Forderung nach mehr Studenten mit Abschluss mit der Beobachtung, Bob Dylan habe sein Studium abgebrochen, Dieter Bohlen hingegen zu Ende gebracht. Ratschiller gönnt sich in seinem Programm – einer Produktion des Rabenhof Theaters, die im Vorjahr den Österreichischen Kabarettpreis gewonnen hat – keine Pause. So macht sich nach anderthalb Stunden beim Kritiker etwas Ermüdung breit, auch wenn gegen Ende zwei Rollenwechsel für willkommene Abwechslung sorgen. Der Auftritt der Wienerin Jessica, einer ignorant-dümmlichen Tochter aus besserverdienendem Hause, sorgt für einige Lacher. Sleep Sleep spielen dazu passenderweise Edwyn Collins’ Hit „A Girl Like You“. Ebenso gelungen ist die Darstellung des Flirt-Trainers Florian Finster, der nach eigenen Angaben seine Ausbildung bei der FBI absolviert hat. Praktische Lebenshilfe scheint, genau wie beim Ombudsmann, sein Metier und so gibt er in breitestem Tirolerisch handfeste Tipps, um an den „Büro-Schnuckel“ heranzukommen.

Wer in den Genuss von weiteren Fragen und Antworten kommen möchte: Das Buch zur Dienstreise „Der FM4 Ombudsmann beantwortet Deine Fragen“ von Martin Puntigam und Hosea Ratschiller ist im Czernin Verlag erschienen.

www.spielboden.at