Neu in den Kinos: „Ich Capitano“ (Foto: X-Verleih)
Thorsten Bayer · 06. Mai 2011 · Kleinkunst, Kabarett

Unsterbliches Vergnügen im Ristorante Immortale

Seelax Festival: Die Familie Flöz begeistert und berührt mit ihrem Maskentheater das Publikum im Freudenhaus. Für die weiteren Vorstellungen am Freitag und Samstag sind noch Restkarten an der Abendkasse erhältlich.

Auf einmal steht sie mitten im Publikum, die Show beginnt. Mit einer Gesichtsmaske, die wie bei ihren vier Kollegen zwar grob gefertigt, aber dennoch fein nuanciert wirkt, steht Ilka Vierkant in ihrer Rolle als Köchin zwischen den Zuschauern, die sich gerade noch Wein und Brötle von der Bar geholt haben und erst allmählich ihre Plätze einnehmen. Die Köchin schert sich nicht groß drum, dass noch nicht alle bereit sind und beginnt auf ihrem Akkordeon zu spielen. Dieses Lied sollte den ganzen Abend begleiten – sie ist für die Musik zuständig, spielt zudem noch Congas, wenn sie nicht gerade als Köchin gefordert ist.
Wobei – streng genommen ist sie das eigentlich nie. Denn zu kochen gibt es nichts: Kein einziger Gast besucht das Ristorante Immortale. Wie das Personal mit dieser (häufig unfreiwillig komischen) Situation umgeht, das zeigt das fünfköpfige Ensemble der Familie Flöz an diesem Abend auf stumme und umso eindrücklichere Weise.

Stark gezeichnete Figuren

Da ist einerseits der junge, unbedarfte Lehrling, dessen hilflose Tollpatschigkeit immer wieder für Lacher sorgt. Der alte Ober, fast schon Teil des Inventars wie die Holzmöbel und der defekte Springbrunnen, steht mehr als einmal mit seinem gepackten Koffer am Ausgang –  und bringt es dann doch nicht über das Herz zu gehen. Der eitle Oberkellner, der am liebsten im Silbertablett den tadellosen Sitz seiner Frisur überprüft, und der Chef, dem auch nicht viel mehr einfällt, als seine Angestellten mit hartem Umgangston zu disziplinieren – sie alle sind auf ihre individuelle Weise einsam und versuchen eindringlich, ihrem (Nichts-)Tun einen Sinn zu geben. Traum und Wirklichkeit verwischen dabei ein ums andere Mal vor den Augen des faszinierten Publikums. Klamaukige und berührende Szenen wechseln sich nahtlos ab.

Internationaler Pool von Theaterschaffenden

Familie Flöz, 1996 von Absolventen der Folkwang Universität der Künste in Essen gegründet, feierte mit diesem, ihrem zweiten Stück den internationalen Durchbruch. Paco Gonzalez (als alter Ober), Björn Leese (Lehrling), Hajo Schüler (Oberkellner), Michael Vogel (Chef) und Ilka Vierkant haben für ihre Produktion einige renommierte Preise gewonnen, beispielsweise beim Edinburgh Fringe Festival 2001. Aus dieser Gründungsmannschaft ist ein internationaler Pool von Theaterschaffenden mit Sitz in Berlin geworden: „Schauspieler, Musiker, Tänzer, Regisseure, Maskenbauer, Lichtdesigner, Kostümbildner, Regisseure, Dramaturgen und andere gute Seelen aus 10 Nationen“, wie sie auf ihrer sympathischen Homepage schreiben.

„Perfekt choreografiertes Chaos aus Slapstick und Poesie“

Willi Pramstaller ist mit der Verpflichtung dieser Gruppe ein Coup gelungen. Zum Seelax-Festival ist die Familie Flöz mit der kompletten Originalbesetzung gekommen. Es fiele schwer, einen der fünf herauszuheben. Eine der großen Stärken des Ensembles liegt in seinem blinden Verständnis untereinander, das besonders deutlich wird, weil die Worte fehlen. Doch dieses scheinbare Manko drehen sie zu einem Vorteil: Worte würden bei ihrem Auftritt tatsächlich nur stören. Ein Zitat von Pablo Picasso beschreibt die Wirkung des Stücks am besten: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“.
Unwiderstehlich ziehen die Darsteller die Zuschauer für die rund 80 Minuten Spieldauer in ihren Bann, „entstauben“ ihr Publikum, um in diesem Sprachbild zu bleiben. Auch der Zürcher Tagesanzeiger konnte sich der besonderen Magie dieses Stückes nicht entziehen und schwärmte einst von einem „perfekt choreografierten Chaos aus Slapstick und Poesie.“

Weitere Vorstellungen am Freitag und Samstag

„Immortale“, unsterblich heißt das Restaurant, der Schauplatz dieser Tragikomödie – sofern eine solche klassische Zuschreibung überhaupt dem Stück gerecht werden kann. Auf unsterbliches Vergnügen kann sich der Zuschauer in jedem Fall freuen. Und die gute Nachricht für die Aufführungen am heutigen Freitag und morgigen Samstag, Beginn jeweils 21 Uhr: Es sind noch einige Karten übrig. Also nichts wie hin!