Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Thorsten Bayer · 06. Mai 2013 · Kleinkunst, Kabarett

Fundamentalisten als Organspender und Investitionen in Autolack: Gerhard Polt überzeugt beim Seelax-Festival

Für einen ausverkauften Seelax-Abend – ausnahmsweise im Theater am Kornmarkt – und ausgelassene Stimmung sorgte am gestrigen Sonntagabend der bayerische Kabarettist Gerhard Polt. Als „szenische Lesung aus Circus Maximus“ war das Programm überschrieben, in dem er mühelos zwischen unterschiedlichsten Personen hin- und hersprang. Auf die alltäglichen Abgründe des Kleinbürgers richtet wohl niemand einen so unerbittlichen und präzisen Blick wie der 70 Jahre alte Münchner.

Sein Heimatland ist noch für manche Überraschung gut. „Ich habe selbst nicht gewusst, wie exotisch Bayern ist“, lässt einmal Gerhard Polt einen seiner zahlreichen Alter Egos sagen. Die Globalisierung hat auch vor der bayerischen Provinz nicht Halt gemacht. Dort fragt man sich nun, ob man die Ferien nicht doch einmal in Deutschlands Süden verbringt. Doch schließlich treten Polts Protagonisten meist doch den Weg ins Ausland an – und bringen ein gutes Stück Heimat mit in die Fremde.

Kleinbürger auf Reisen


Wenn seine Kleinbürger auf Reisen gehen, dann besteht die bayerische Gruppe der Freiwilligen Feuerwehr bei ihrem Besuch in Australien auf das importierte Tegernseer Bier, dann werden „Plastikneger“ aus Hawaii mitgebracht, dann gibt es Tiroler Gröstl mitten im Dschungel. Dabei zeigen sich die poltschen Charaktere durchaus als anpassungsfähig und kreativ: Um der Gefahr eines Autodiebstahls in Neapel zu entgehen, wird das Auto extra so geparkt, dass es mitten im Weg steht und sicher abgeschleppt wird. Die pragmatische Begründung: „Da wird das Auto wenigstens bewacht.“

Große Politik


Apropos Auto: Auf dieses Statussymbol kommt Polt immer wieder zurück; sowohl mit tiefgründigen als auch mit der etwas seichteren Pointen wie „Ich war im Leben nie ein Fußgänger. Die Fußgängerei – die ist für mich gelaufen.“ Bezeichnend ist das Unverständnis von Polts Autonarr für Andersdenkende. Seine Frau schickt er daher mit der Diagnose „Pedestrian disease“ zum ADAC-Psychologen. Sehr gelungen sind die Szenen, wenn die große Politik ins Spiel kommt. So bekennt der Autofetischist beispielsweise angesichts der umfangreichen Sonderausstattung, die er sich bei seinem Neuwagen einiges kosten lässt: „Mir ist mein Geld lieber im Autolack als in Athen.“ An anderer Stelle räsonieren die trinkfesten Mitglieder eines Gemeinderates, wer als Spender einer Leber am ehesten in Frage kommt (einer der Gemeinderäte hat immer mehr Mühe, bei den täglichen Bier-Exzessen hinterherzukommen). Nach kurzer Überlegung kommen sie drauf: Die besten Lebern haben die islamischen Fundamentalisten.

Kindheit im Wallfahrtsort


Gerhard Polt schaut dem Volk sehr genau aufs Maul, entlarvt scheinbar beiläufig, aber mit spitzer Zunge Heuchler und Spießbürger. „Obwohl er sich auf vielen Feldern ausprobiert hat, ist er im Innersten ein Nachfahre der antiken Sänger geblieben. Nur dass er nicht Heldentaten besingt, sondern seine Heroen bei den kleinen Leuten und den Technokraten der Mittelschicht findet“, schrieb Hannes Hintermeier treffend in der FAZ. „Die vermeintliche Banalität seines Personals fasziniert Polt, er will wissen, wie diese Menschen ticken. Er mag seine Figuren, seien sie noch so zwielichtig.“

Heute lebt Polt am Schliersee, aufgewachsen ist er im katholischen Wallfahrtsort Altötting (Oberbayern) – einer „sehr günstigen Umgebung“ für seinen späteren Werdegang, wie er erklärte. In seinem Geburtsort München studierte er politische Wissenschaften, Geschichte und Kunstgeschichte. Dann wandte er sich der  Skandinavistik zu und studierte ab 1962 nordische Sprachen in Schweden, wo er vier Jahre lebte. Kurz nach seiner Rückkehr nach München begann mit der „Kleinen Nachtrevue“ sein Werdegang als Kabarettist, für den er seither unter anderem mit dem Grimmepreis und dem Großen Karl-Valentin-Preis ausgezeichnet worden ist.

Neuer Film


Aktuell arbeitet Gerhard Polt, der mit seinem 1988 erschienen Kinofilm „Man spricht deutsh“ einem größeren Publikum bekannt wurde, an einem neuen Film. Die Satire „Und Äktschn“ soll laut Filmverleih „ein bitterböses Porträt kleinbürgerlicher Abgründe und eine Real-Satire über Amateurfilmer" sein. 2014 soll er in die Kinos kommen.

 

Im Rahmen des Seelax-Festivals geht es am morgigen Dienstag, 7.5., weiter. Kabarettist Roland Düringer präsentiert sein neues Programm „WIR – ein Umstand“ erstmals in Vorarlberg.  Am Donnerstag (9.5.) versichert der grantige Franke Matthias Egersdörfer „Ich mein´s doch nur gut“. Volks- und Weltmusik aus Griechenland erklingen am Samstag, 11. Mai beim Konzert von Kompanía im stimmungsvollen Freudenhaus am Platz der Wiener Symphoniker in Bregenz. www.seelax.at