Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Thorsten Bayer · 01. Mär 2012 · Kleinkunst, Kabarett

Die zentrale Rolle des Schweinebratens: Bruno Jonas in der Inselhalle Lindau

Unwirsch, das Alter Ego des Kabarettisten Bruno Jonas, ist zurück. In seinem zehnten Soloprogramm „Es geht weiter“ nimmt der 59 Jahre alte Niederbayer wie gewohnt Politik, Kirche und Showgeschäft aufs Korn. Gelungene Parodien wechseln sich in der Inselhalle mit etwas vorhersehbaren und lauen Gags ab. Ein routinierter Auftritt, bei dem Jonas nicht nur aktuelle Ereignisse aus Bundes- und Landespolitik, sondern auch aus Lindau – wie die Oberbürgermeisterwahl vom vergangenen Wochenende – aufgreift.

Unwirsch braucht eine neue Identität. Sein Beruf als korrupter Unternehmensberater hat ihn vor Gericht gebracht. Dass das Verfahren in erster Instanz mit einem Freispruch endete, hat er übrigens seiner Liaison mit der Vorsitzenden Richterin zu verdanken. Bevor er richtig auspackt („Köpfe werden rollen“, kündigt er mit Blick auf einige Herren in hohen Positionen an), will er in das Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden.

Geschichte der Bestechlichkeit

Eine (zweifelhafte) Karriere im Umbruch, gesellschaftliche und politische Entwicklungen, die ihm unverständlich sind: Dieser Mann braucht Orientierung, nicht zuletzt in spiritueller Hinsicht. „Es gibt nichts Besseres als eine tote Sau“, findet Unwirsch und schließt auch daraus: „Meine neue Religion muss Schweinebraten-kompatibel sein.“ Damit scheidet der Islam zwar schon einmal aus, aber die Wahl bleibt schwierig. „Ich schwanke noch: katholisch oder doch christlich?“
Die Kirche bleibt eines von Jonas´ stärksten Themen, wenn er beispielsweise die Geschichte der Bestechung und Bestechlichkeit bis ins Alte Testament zurückverfolgt. Der Verweis auf den aktuellsten Fall des zurückgetretenen deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff lässt da natürlich nicht lange auf sich warten. Doch gerade in diesem Teil wirken seine Gags etwas matt, wenig originell. Auch das eine oder andere Wortspiel, wenn er etwa scheinbar aus Versehen „intrigiert“ statt „integriert“ sagt, hat man schon häufiger gehört.

Gipfel-Minarette auf den Bergen

Hübsch hingegen sein Einfall zur Integrationsdebatte, auf den bayerischen Bergen den Gipfelkreuzen Minarette zur Seite zu stellen. Von seinem schauspielerischen Talent leben zahlreiche gelungene Parodien auf das politische Personal, von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy bis zu Gregor Gysi. Routiniert spielt der Passauer seine Bühnenerfahrung aus. Während seines Studiums in München (Germanistik, Politologie, Philosophie und Theaterwissenschaften) gründete er 1975 die Kabarettgruppe „Die Verhohnepeopler“. Danach führte ihn sein Weg zum Münchner Rationaltheater und, Anfang der 1980er-Jahre, zur Lach- und Schießgesellschaft. 1979 trat er mit seinem ersten Soloprogramm auf.

Flut an Talkshows

Auch bei seinem alten Arbeitgeber, der ARD, spart er an diesem Abend nicht mit beißender Kritik. Neun Jahre lang wirkte er bei der Kabarettsendung „Scheibenwischer“ mit – zunächst als Partner von Dieter Hildebrandt, später von Matthias Richling, Georg Schramm und Richard Rogler. Die zahlreichen Talkshows im Ersten sind Jonas spürbar zuwider. Sein unbarmherziger Blick auf die immergleiche Besetzung der Gesprächsrunden zählt zu den Höhepunkten des Abends, ebenso seine Seitenhiebe auf aalglatte Politiker vom Schlage eines Guttenberg oder Söder.

Typologie der Bayern

Bruno Jonas kennt seine (Bundes-)Landsleute sehr gut, wie auch sein Buch „Gebrauchsanweisung für Bayern“, 2002 im Piper-Verlag erschienen, deutlich macht. Und offensichtlich kommen noch prophetische Fähigkeiten hinzu. In einem 2007 erschienenen Interview mit dem Spiegel erkannte er die großen Chancen von Horst Seehofer auf das Amt des Ministerpräsidenten im Freistaat – weil er die drei bayerischen Archetypen vereinige: „Da wäre als erster der Bazi, das ist einer, der die Leute übers Ohr haut, der auch gefährlich ist, dem man aber nicht richtig böse sein kann. Dann haben wir den Striezi, den Schönling, der sich elegant durchschlägt, und den Larifari, den Redseligen und Dummschwätzer. Ideal ist, wenn einer dem Wähler alle drei Typen in einer Person bieten kann. Bei Horst Seehofer finden wir das, er ist Striezi, Larifari und Bazi.“ Ein Jahr später wurde Seehofer zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt. Mal sehen, ob auch Unwirschs Prognose zutreffen wird – und Joachim Gauck tatsächlich nicht nur das Amt des Bundespräsidenten, sondern auch das „Wort zum Sonntag“ übernimmt.