Andreas Vitásek begeisterte mit „39,2°– ein Fiebermonolog“ in der Kulturbühne AmBach
Einen sehr abwechslungsreichen und unterhaltsamen Auftritt lieferte der Wiener Andreas Vitásek am gestrigen Freitagabend in Götzis. Das Alter und das Altern waren zentrale Themen. Doch der Künstler selbst präsentierte sich in seinem 16. Kabarettprogramm alles andere als altersmüde, sondern sehr vital und präzise in seinem Spiel.
Die darstellerische Ausbildung ist Andreas Vitásek gleich in den ersten Szenen des Abends anzumerken. 1955 in Wien-Favoriten geboren, studierte er von 1974 an Theaterwissenschaften und Germanistik, war Statist im Burgtheater und Schüler des bekannten Pantomimen Samy Molcho. In den Jahren 1978 bis 1980 besuchte er die Theaterschule von Jacques Lecoq in Paris.
Sag´s mit einer SMS
So nimmt er mit seinen ersten, ungemein präzisen Bewegungen sofort sein Publikum in der Kulturbühne AmBach gefangen. Die Ausgangssituation des „Fiebermonologs“: Seine Frau ist zu einem Wellness-Kurzurlaub nach Bad Tatzmannsdorf aufgebrochen, so hat er Zeit zum ungestörten Arbeiten. Denn es gilt, eine Nummer für einen internationalen Drogenkongress zu schreiben – einen zum Thema der Veranstaltung passenden Kurzauftritt. Doch das ist leichter gesagt als getan: Zu seinen Kopfschmerzen gesellt sich zu allem Überfluss auch noch erhöhte Temperatur: Die passende Überleitung zu seiner Hypochondrie und zum tiefen Misstrauen gegenüber Ärzten, das er genüsslich pflegt. Schmerzen sind Signale des Körpers, eh klar. „Aber dann soll mir mein Körper eben eine SMS schicken“, schlägt der Dauerpatient vor. Den Medizinern, die seiner Meinung nach Röntgenbilder als Rorschach-Tests fehlinterpretieren, traut er grundsätzlich nicht viel zu. Auch weil sie sich nie einig seien: „Bei Diagnosen bin ich Stalinist – da muss Meinungseinheit herrschen. Auch wenn ich's dann eh nicht glaub.“
Kalauer hier, feiner Wortwitz dort
Vitásek gelingt es auf eindrucksvolle Weise, Kalauer und feinen Wortwitz, offene und versteckte Pointen miteinander zu kombinieren. Der bildungsbürgerliche Teil des Publikums nickt verständig bei Anspielungen auf Goethe, Shakespeare und Lars von Triers Nazi-Sager beim Filmfestival in Cannes. Alle miteinander lachen über die Anekdoten, die wirken, als seien sie tatsächlich mitten aus Vitáseks Leben gegriffen, sei es zum Thema späte Vaterschaft, zum faden Dasein als Sanitäter im Bundesheer – oder zum bemerkenswerten Trend, dass Hunde immer mehr wie ihre Herrchen heißen und umgekehrt. „Ich bin eigentlich Arte-Zielpublikum“, bekennt Vitásek an anderer Stelle, „das hat gar keinen Fernseher.“ Seine ORF oder ARD schauenden Fans dürfen sich übrigens auf einen „Tatort" mit ihm freuen: Noch bis April laufen die Dreharbeiten mit Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser und Alfred Dorfer. Vitásek spielt einen Gerichtsmediziner, Dorfer einen Bösewicht.
Eine Frage der Perspektive
Gegen Ende des Programms richtet er den Blick auf sein eigenes Ende und unternimmt mittels modernster Technologie – der innovativen App „IBeam“ – eine Reise in die Zukunft: ins Jahr 2043, in dem er Gast seiner eigenen Beerdigung ist. Oft zäumt er im Laufe des Abends das sprichwörtliche Pferd von hinten auf, entsprechend dem Ablauf des Programms, das er mit dem Schlussapplaus eröffnet und dem Auftrittsbeifall beendet. „Leben“ ergebe rückwärts gelesen „Nebel“, merkt er an und stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, manche Dinge noch einmal zu erleben – unter anderen Vorzeichen; mit dem Wissen, wie es weitergeht. Ein Beispiel? „Rauchen könnte man doch viel mehr genießen, wenn man vorher eine ausgiebige Chemotherapie durchgemacht hätte.“
Die große Stärke Vitáseks ist sein Facettenreichtum, die Bandbreite seines Spiels. Als Schauspieler hat er sowohl in leichten Stücken wie der „Fledermaus“ von Johann Strauss (Sohn) mitgewirkt, aber auch in Produktionen wie „Warten auf Godot“ oder „Endspiel“, beide aus der Feder Samuel Becketts. Als sich Andreas Vitásek gegen 22.30 Uhr nach zwei Zugaben verabschiedet, spendet das Publikum lang anhaltenden Applaus.