"Mit einem Tiger schlafen": Anja Salomonowitz‘ Spielfilm über die Künstlerin Maria Lassnig derzeit in den Vorarlberger Kinos (Foto: Stadtkino Wien Filmverleih)
Silvia Thurner · 04. Mär 2023 · Musik

Klang-Bilder und Hör-Spiele

Der österreichische Komponist Anestis Logothetis (1921-1994) schrieb die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts entscheidend mit. Seine grafischen Notationen und die individuellen Klang- bzw. Vokalkompositionen, Hörspiele und Bühnenwerke fanden bereits zu seinen Lebzeiten große Zustimmung und verliehen dem humorvollen Künstler ein internationales Renommee. Dem Schaffen des Komponisten mit bulgarisch-griechischen Wurzeln widmet sich der Autor Günter Köllemann seit vielen Jahren. Nun publizierte er in Kooperation mit Frank Maier und dessen Label „vinyl on demand“ eine LP-Box, in der bislang unveröffentlichte Musik des geistreichen Komponisten versammelt wurde. Im Rahmen einer anregenden Präsentation in der Vorarlberger Landesbibliothek machte Günter Köllemann spannende Einblicke in Logothetis‘ kompositorische Welt möglich.

Mitte des 20. Jahrhunderts ereignete sich Bahnbrechendes in der europäischen Kompositionsgeschichte. Zahlreiche Künstler:innen führten Geräusche, elektronisch erzeugte Klänge, aufgezeichnete Schallereignisse aus der Umwelt sowie experimentelle Sprachlaute als gleichwertige Parameter in die Instrumentalmusik ein und erweiterten damit die Klangmöglichkeiten und Ausdrucksqualitäten wesentlich. Unter anderem weiteten kybernetische und naturwissenschaftliche Errungenschaften in elektronischen Studios den künstlerischen Aktionsradius. Vordenker, wie der amerikanische Komponist John Cage, führten den Zufall in musikalische Konzepte ein und gewährten den Interpret:innen bis dahin nicht gekannte künstlerische Freiheiten. Daraus resultierten grafische Notationen, die durch Aktionszeichen und assoziative Symbole die Interpretationsvielfalt in neue Dimensionen führte. All diese Innovationen fanden in der Kunst von Anestis Logothetis einen geistreichen Niederschlag. Seine kritische Haltung gegenüber starren und antiquierten Denkarten und sozialen Strukturen, kombiniert mit seiner Kreativität und seinem Humor verleihen seinen Kompositionen einen zeitlosen Wert.

Kunst und technisches Know-how

Die Ausführungen von Günter Köllemann gaben interessante Einblicke in die Wirkgeschichte von Anestis Logothetis. Präsentiert wurden mehrere Werke, die die Zuhörenden in die akustisch bunte Welt des originellen Komponisten führten. Unter anderem erklang das Werk „Klaviertang und Elektronik“ aus den experimentellen Studien. In der halligen Akustik des Kuppelsaales kamen die Raumperspektiven der tieffrequenten Töne und die schwirrenden Tonaggregate hervorragend zur Geltung. Dass Logothetis ein humorvoller Künstler war, zeigte sich unter anderem in den Werken „Spatzenmono“ (1980/81) sowie „Vampire“, ein schottisches Märchen (1971). Beindruckend war in diesem Stück nachzuhören, wie der Komponist den spezifischen Klang eines Dudelsacks demontierte, Frequenzbänder herauskristallisierte und fantasiereich transformierte.

Musikalisches Hörspiel mit Aussagekraft

Das Hörspiel „Schmetterlinge“ hatte Logothetis ursprünglich für das Librophon entwickelt, mit dessen Hilfe in Bücher integrierte Schallträger abgespielt werden konnten. Seit 50 Jahren wurde das Werk nicht mehr in der Öffentlichkeit vorgeführt, doch im Rahmen der LP-Präsentation erlebten die Zuhörenden im Kuppelsaal das unterhaltsame Zusammenspiel von Sprache, Musik und Grafik. Bereichert wurde das Hörerlebnis durch die auf die Leinwand projizierte grafische Notation. Anestis Logothetis war für seine eigenen Werke der beste Interpret. Er gestaltete den Vokalpart mit einer bewundernswerten stimmlichen Ausdruckskraft und mitreißenden Kombinationen aus Vokalklängen, Sprachfloskeln sowie weiteren musikalischen Parametern. Aufmerksamkeit erregte überdies der sprachlich formale Verlauf, den Logothetis spannend gestaltet hat, indem er, ausgehend von Schmetterlingsnamen, vielschichtige Gedanken- und Wortverknüpfungen in Szene setzte.
Die innovative Aussagekraft des Komponisten kam im Rahmen der Schallplattenpräsentation hervorragend zur Geltung. Dass es mit Günter Köllemann in Vorarlberg einen über die Landesgrenzen hinaus geschätzten Spezialisten für die Musik von Anestis Logothetis gibt, ist höchst erfreulich.

Logothetis auf Ö1: Zeitton – Präsentation der LP-Box
Donnerstag, 16.3., 23.03 Uhr