Das Nederlands Dans Theater 2 beim Bregenzer Frühling (Foto: Udo MIttelberger)
Silvia Thurner · 05. Apr 2021 ·

In mehrerlei Hinsicht ein imponierendes Ereignis – Die „Camerata Musica Reno“ mit Tobias Grabher am Pult stellte sich im Theater Kosmos vor

Corona zwang Musikerinnen und Musiker in eine existenzielle Krise. Doch nicht wenige schöpften daraus eine kreative Energie, die Mut zeigt und in eine gute Zukunft weist. So gründete der angehende Dirigent Tobias Grabher mit Künstlern aus der Bodenseeregion ein neues Kammerorchester. Im schönen Ambiente des Theater Kosmos stellte sich die „Camerata Musica Reno“ nun der Öffentlichkeit vor. Geboten wurde eine mitreißende Deutung von Igor Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“, die wesentlich von der ausdrucksstarken Schauspielerin Mariam Avaliani belebt wurde.

Die Entstehungsgeschichte des Moritats „Die Geschichte vom Soldaten“ passt wunderbar in unsere Zeit. Igor Strawinsky komponierte das Werk am Ende des ersten Weltkrieges. An große Orchesterbesetzung und teure Produktionskosten war nicht zu denken, viel mehr sollte ein variables Bühnenwerk transportabel aufgebaut werden können, um die Menschen auch an öffentlichen Plätzen zu unterhalten. Noch dazu grassierte genau vor hundert Jahren die spanische Grippe, die ähnliche Sicherheitsmaßnahmen verlangte, wie wir sie heute kennen.
Für die neu gegründete „Camerata Musica Reno“ passte Strawinskys „Geschichte vom Soldaten“ nicht nur aus gesellschaftshistorischen, sondern auch aus musikalischen Gründen hervorragend. Die musikalische Werkanlage mit ständigen Rhythmuswechseln sowie Strawinskys Spiel mit polyrhythmischen Passagen bieten einem angehenden Dirigenten  besondere Anreize. Dieser Herausforderung stellte sich der Orchestergründer Tobias Grabher, der derzeit an der Musikuniversität Wien das Fach Dirigieren studiert, gekonnt und mit großem Engagement.

Musizierende, die viel zu sagen haben

Im neu gegründeten Kammerorchester versammelte Tobias Grabher herausragende junge Musikerinnnen und Musiker der Bodenseeregion. Xenia Rubin (Violine), Darius Grimmel (Kontrabass), Paul Moosbrugger (Klarinette), Johanna Bilgeri (Fagott) und Mathias Klocker (Piston/Trompete) sind alle höchst ambitionierte Studierende, die in Vorarlberg bereits mehrfach die Aufmerksamkeit auf sich gelenkt haben. Mit im Ensemble musizierten Volker Bereuter (Posaune) und Mathias Schmidt (Perkussion). Sie brachten die im Werk angelegten klangfarblichen Gegensatzpaare markant zur Geltung und füllten ihre Parts mit viel Gestaltungskraft aus. Hoch konzentriert agierten sie miteinander, loteten die melodischen Pole aus und fügten sich im Tutti in einem schönen Gesamtklang zueinander. Strawinsky legte der „Geschichte vom Soldaten“ eine ganz eigene Musik zugrunde, indem er Stiltypen eines Marsches, Walzers, einer Pastorale, eines Tangos, Ragtimes und Chorals mit viel ironischer Brisanz auskomponierte. Wie „skelettiert“ setzte der Komponist musikalische Floskeln zueinander in Beziehung und verlangte den Instrumentalstimmen eine solistische Präsenz ab, die es für jeden Einzelnen auszufüllen galt.
Tobias Grabher dirigierte die Musikerinnen und die Musiker mit eleganter Gestik und viel Kontakt, so dass auch die Dynamik des musikalischen Verlaufs gut zur Geltung kam. Die Ensemblemitglieder reagierten flexibel und füllten ihre Rollen hervorragend aus. Xenia Rubin gestaltete den mit vielen Doppelgriffen versehenen Violinpart mit sattem Ton. Besondere Aufmerksamkeit lenkte der Klarinettist Paul Moosbrugger auf sich, der für die humorvoll „überspitzt“ angelegten Passagen genau den richtigen Ausdruck fand. Als sicherer Partner an der Perkussion bildete Matthias Schmidt ein verlässliches Zentrum.

Aussagestarke Erzählerin

Die auf russischen Volksmärchen begründete Geschichte des Soldaten erfüllte die Schauspielerin Mariam Avaliani mit Leben. Sie verkörperte die Rollen des Erzählers, des Teufels und des Soldaten mit variantenreicher Stimmgebung sowie ausdrucksstarker Körpersprache, die die Zuhörenden in ihren Bann zog. Im Zusammenwirken mit der „Camerata Musica Reno“ boten alle gemeinsam ein höchst bemerkenswertes Debüt, das die Zuhörenden begeisterte. Auf den weiteren Werdegang sowie künftige Produktionen darf man sich jetzt schon freuen.