Im Lied erzählte musikalische Sinnbilder
Corinna Scheurle und Hanna Bachmann gaben einen intensiven Liederabend
Seit ein paar Jahren kuratiert die in Wien lebende Pianistin Hanna Bachmann die Röthner Schlösslekonzerte. Dort präsentiert sie sich solistisch oder als Kammermusikpartnerin, auch vierhändig sowie als Liedbegleiterin am Klavier und in Beziehung zu Malerei oder Literatur. Gemeinsam mit der Mezzosopranistin Corinna Scheurle lud sie nun zu einem exquisiten Liederabend. Im voll besetzten Saal boten die Künstlerinnen eine hervorragend zusammengestellte Liedauswahl, bestehend aus berühmten Schubertliedern und hierzulande wenig bekannten Liederzyklen von Béla Bartók und Maurice Ravel sowie zwei musikalischen Szenen von Rebecca Clarke. Zwar ist der Konzertsaal eher klein für die große Stimme von Corinna Scheurle, doch die Sängerin passte sich den räumlichen Gegebenheiten bewundernswert flexibel an und im Zusammenwirken mit Hanna Bachmann am Klavier entwickelte sich ein mitreißender Liederabend.
Die Mezzosopranistin Corinna Scheurle ist seit 2021 fixes Mitglied am Staatstheater Nürnberg. Doch auch im Liedgesang hat sie sich einen Namen gemacht. Im April 2024 erschien beim Label Solo Musica das Album „Schwarze Erde“ mit Liedern von Béla Bartók, Zoltán Kodály, Alban Berg und Robert Schumann. Mit der Pianistin Hanna Bachmann verbindet die Sängerin eine Freundschaft, die auf die Schulzeit am Feldkircher Musikgymnasium zurückgeht. Im vergangenen Jahr wurden Corinna Scheurle und Hanna Bachmann beim internationalen Hugo Wolf Wettbewerb für Liedkunst mit einem dritten Preis ausgezeichnet.
Bei ihrem Konzert im Röthner Schlössle faszinierten die Künstlerinnen primär mit zwei Liederzyklen. Corinna Scheurle ist zweisprachig in einer deutsch-ungarischen Familie aufgewachsen. So sang sie die Fünf Lieder op. 16 von Béla Bartók in ihrer Muttersprache und ließ mit dem hierzulande unbekannten Werk aufhorchen. Erdig und ungewohnt in der sprachlichen Diktion verströmten die Lieder nach Texten von Andreas Ady durch ihre musikalische Klangfärbung eine zugleich spannungsgeladene und geheimnisvolle Wirkung. Emotional gestalteten die Sängerin den Gesangspart und die Pianistin die melodischen Hauptlinien, die auch für den Klavierpart einen bedeutenden Bezugspunkt darstellten. Charakteristische Tonschritte und an der ungarischen Volksmusik orientierte Tonskalen und die Harmonik wirkten symbolisch. Sensibel wurde eine verlorene Liebe mit Analogien zu naturhaften Herbst- und Meerbildern beschrieben. Mit diesen Liedern boten Corinna Scheurle und Hanna Bachmann bereichernde Einblicke in die Liedkunst eines Béla Bartók.
Aussagekräftig in verschiedenen Sprachen
Die Mezzosopranistin sang nicht nur deutsche und ungarische, sondern ebenso englische und französische Lieder, wie den Zyklus „Shéhérazade“ von Maurice Ravel. Die drei Lieder „Asie“, „La Flute enchantée“ sowie „L’Indifférent“ erklangen in einem intensiven Zusammenwirken und erzählendem Duktus. Gleichzeitig erhielt der Klavierpart viel Raum zur subtilen Textdeutung. Gut abschattiert, mit ruhigem Duktus, kam das zweite Lied zur Geltung. Doch in diesem Lied zeigte sich am deutlichsten, dass Ravel den Liederzyklus im Original für Singstimme und Orchester komponiert hat. Dementsprechend kristallisierte sich die Zwiesprache zwischen der Mezzosopranistin und der Flöte nicht so eindrücklich heraus. In sich gekehrt und feinsinnig interpretierten die Künstlerinnen „L’Indifférent“.
„The Seal Man“ nach einem Text von John Masefield gestalteten Corinna Scheurle und Hanna Bachmann als musikalisch bildhafte Szenen. Mit großer Aussagekraft stellten sie die leidenschaftliche, letztlich den Tod bringende Liebe dar. Die dynamischen Schübe zwischen Piano und Forte, die dramatische Diktion und die textdeutende Musik kamen dabei eindrücklich zur Geltung. Den impressionistischen Touch verstärkte das anschließende Lied „A Dream“ mit Naturklängen im Klavier und dem schwebenden Duktus der Singstimme.
Den Rahmen des vielseitigen Liederabends bildeten berühmte Lieder und Balladen von Franz Schubert. Besonders in Erinnerung blieb „Der Zwerg“ (D771), dessen tragische Geschichte Corinna Scheurle und Hanna Bachmann raumgreifend und dramatisch in Szene setzten und dabei die eifersüchtige Verzweiflung eindrücklich versinnbildlichten. Eine gute assoziative Klammer dazu bildete am Schluss das Lied „Des Fischers Liebesglück“ (D 933). Die Dramatik wich in diesem späten Schubertlied einer verinnerlichten Aussage. Die fast rezitativisch geformten Linien des Gesangs- und Klavierparts bewirkten eine vielsagende Anspannung.
Zwar wirkten die Texte der Lieder „Nachtstück“ (D 672) und „Totengräbers Heimweg“ (D 842) in der Interpretation der jungen Frauen etwas befremdlich, aber in der emphatischen Deutung auch berührend. In rasendem Tempo leitete Hanna Bachmann abschließend den „Erlkönig“ (D 328) ein, dessen dramatische Erzählung in der Gestaltung von Corinna Scheurle mitreißend wirkte.
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