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Walter Gasperi · 30. Jän 2025 · Film

Aktuell in den Filmclubs (31.1. – 6.2.2025)

Beim Filmforum Bregenz steht diese Woche – und am Spielboden Dornbirn Ende Februar und Anfang März – der parteiische, aber aufwühlende Dokumentarfilm „No Other Land“ auf dem Programm, der die israelische Vertreibungs- und Zerstörungspolitik im Westjordanland mit der Kamera festhält. Der Spielboden Dornbirn zeigt dagegen mit „Patagonia“ ein starkes Langfilmdebüt des Regisseurs Simone Bozzelli, in dessen Zentrum ein etwas zurückgebliebener junger Mann steht.

No Other Land: Der palästinensische Aktivist Basel Adra, der israelische Journalist Yuval Abraham, die israelische Filmemacherin und Kamerafrau Rachel Szor sowie der palästinensische Fotograf Hamdan Ballal streben in „No Other Land“ nicht Ausgewogenheit an, sondern ergreifen entschieden Partei für die palästinensische Bevölkerung des Westjordanlands und gegen die israelische Besetzung. Vom Sommer 2019 bis zum Oktober 2023 dokumentiert das Kollektiv in dem vielfach preisgekrönten Dokumentarfilm hautnah die israelische Zerstörungs- und Vertreibungspolitik im südlichen Westjordanland. Seit über 100 Jahren leben hier zwar die Palästinenser:innen, doch nun sollen ihre Dörfer einem israelischen Truppenübungsplatz weichen. 
Unter klassische Filmaufnahmen werden Handybilder ebenso wie Archivaufnahmen gemischt, zu denen Basel Adra über seine Kindheitserinnerungen an Repressalien gegenüber der Familie erzählt. Manchmal gerät die Kamera in den Auseinandersetzungen ins Taumeln, wird einmal auch von einem Stein getroffen, sodass das Bild schwarz wird.
Mitten hinein versetzen die Filmemacher:innen die Zuschauer:innen und machen durch die Direktheit der Schilderung und unterstützt durch Musik und Sounddesign die Wut und den Hass der Palästinenser:innen nachvollziehbar. Keine Hintergrundinformationen sollen hier geboten werden und nicht reflektierend soll die Situation analysiert werden, sondern das Publikum soll emotionalisiert werden. 
Aufwühlend und parteiisch ist „No Other Land“ so und prangert das israelische Vorgehen entschieden an. Gleichzeitig zeigt die Freundschaft des palästinensisch-israelischen Filmteams aber auch, dass eine Überwindung der nationalen Feindschaft und ein friedliches Zusammenleben durchaus möglich wäre. – So verbreitet dieser erschütternde Dokumentarfilm doch noch einen Funken Hoffnung. 
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 5.2., 20 Uhr
Spielboden Dornbirn: Di 25.2. + Di 11.3. – jeweils 19.30 Uhr

Patagonia: Vom ersten Moment an ist man durch die nah geführte, bewegliche Handkamera mitten drin in Simone Bozzellis Langfilmdebüt. Irritiert hier schon, wie zurückhaltend und unsicher Yuri (Andrea Fuorto) beim Kauf eines Hundewelpen agiert, so ist bald klar, dass der junge Mann etwas zurückgeblieben ist. 
Fasziniert ist er aber bei einem Kindergeburtstag vom Clown Agostino (Augusto Mario Russi), der ihn zwar scheinbar als Assistenten einbaut, doch gleich darauf vor den Kindern bloßstellt. Dennoch verlässt Yuri heimlich die Tante, bei der er lebt, und zieht mit Agostino in dessen Camper durch Süditalien, bis sie in einem Lager von Schausteller:innen hängen bleiben. Yuri bleibt aber bei Agostino, denn er glaubt dessen Geschichten von der großen Freiheit und einer Reise nach Patagonien, wird aber von „seinem Freund“ immer wieder manipuliert und benutzt.
Erinnerungen an Fellinis „La Strada“ wecken diese Personenkonstellation ebenso wie das Schausteller-Milieu und recht vorhersehbar entwickelt sich die Handlung mit dem Wechselbad von Momenten der Nähe und heftigen Konflikten. Stark machen diesen Film aber neben den beiden intensiv spielenden Hauptdarstellern Andrea Fuorto und Augusto Mario Russi, die nicht zuletzt durch den Dreh auf 16mm-Film atmosphärisch dicht und authentisch eingefangene süditalienische Provinz und das Milieu der am Rand der Gesellschaft lebenden Schausteller:innen.
Stimmig spielt Bozzelli dabei auch immer wieder mit dem Spannungsfeld von Freiheit und Gefängnis einerseits mit einer Ratte, die Yuri bekommt, andererseits mit dem Wechsel zwischen Nahaufnahmen und weiten Landschaftstotalen.
Spielboden Dornbirn: Di 6.2., 19.30 Uhr

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