„Das Geheimnis unter Dir“
Lorenz Helfer rollt 250 Meter lange Zeichnung aus
Der vor einem Monat 41 Jahre alt gewordene Vorarlberger Künstler Lorenz Helfer rollte am vergangenen Samstagabend in der Bregenzer Oberstadt im Rahmen einer Performance ein 250 Meter langes und 60 Zentimeter breites Papierband voller Tuschzeichnungen und Textstücken aus. Die Performance war gleichsam die erste Aktion des in der Maurachgasse 1 neu eröffneten Kulturlokales Café Trabalho (Café Arbeit).
Ausgangspunkt des Zeichnungsbandes war der Ehregutaplatz 8 in der Bregenzer Oberstadt, wo sich die Wohnung des Künstlers befindet. Das Band entwickelte sich direkt aus dem Domizil Helfers im ersten Stockwerk über die Außenwand herab auf den Boden, von wo aus der Künstler das auf eine Achse mit zwei Rädchen aufgewickelte Band über den Maurachsteig in Richtung Unterstadt abwickelte. An die 40 Bekannte und Kunstinteressierte, darunter auch etliche Künstlerkolleg:innen, begleiteten das Prozedere bis zum Endpunkt beim Café Trabalho. Bei dieser Lokalität handelt es sich um ein temporäres Kunstprojekt, das sowohl im portugiesischen Porto sowie in Wien erprobt wurde und nun auch in Bregenz seine (Kultur-)Spuren hinterlassen soll. Dieses Lokal, in dem zuvor der Kollektiv-Raum beheimatet war, soll ab sofort zur Bühne für ein vielfältiges Programm aus Performances, Gesprächen und Happenings werden, in denen das Spannungsfeld zwischen Kunst und Arbeit untersucht werden soll. Ausgangspunkte für den Diskurs seien die Ökonomie und Autonomie von Künstler:innen, der Wert ihrer Arbeit in der Gesellschaft, die Nachhaltigkeit der Kunstproduktion und die Frage, wie Kunst in einem eigenständigen Kontext außerhalb des Kunstmarktes produziert werden kann, ist der entsprechenden Website https://wgnprojects.org zu entnehmen. Neben Lorenz Helfer zählen José Oliveira, Linus Barta, Veronique Homann, Maria Lisa Huber, Uwe Jäntsch, Christine Lederer, Hubert Matt, Lena Sieder-Semlitsch & Sophie Lingg, Mirjam Steinbock, Marina Stoiber, Lukas Weithas und viele andere zu den Protagonist:innen dieses Kulturclubs, die in den nächsten Wochen ein intensives Programm auf die Beine stellen wollen.
Visualisierung von Ideen und Gedanken
Die von Lorenz Helfer auf dem immens langen Papierband realisierten Zeichnungen stehen für die Ideen und Gedanken, die dem Künstler durch den Kopf gehen, wenn er durch die Maurachgasse und den Maurachsteig geht, also jenen Weg, der zu seiner Wohnung hin- und wieder wegführt. Die erste Szene unter dem Fenster seiner Wohnung erinnert an eine klassische Szene des „Fensterln“. In der Folge sind dann etwa für Helfer typische Figuren zu sehen, die ineinander verschlungen und verzerrt dargestellt sind. Figuren beim Lesen, Figuren über- und nebeneinander oder sich umschließend und umklammernd am Boden liegend, oder in einer Bar oder sonstwo sitzend. Aber auch Gebäude sind dargestellt, wie etwa das heute bewohnte untere Stadttor-Bauwerk aus dem 14. oder 15. Jahrhundert, durch das man gehen muss, um zur Wohnung des Künstlers zu gelangen, oder nur angedeutete, ins Abstrakte reichende figurative Körperfragmente. Und immer wieder werden die Zeichnungen und Tuschgemälde von Texten durchbrochen, die Hinweise auf das künstlerische Prozedere geben und inhaltliche Lieferketten bilden. So etwa ist zu lesen: „Über Nacht trocknet sich die Tusche in meinem Pinsel zurück in klumpiges Pulver“. Oder: „Laut schleichen wir die Stiege hinunter“. Oder: „Küssen in der Bar“.
Wie bei Helfers Werken üblich, eröffneten sich für die Betrachterschaft, die das Band abschreiten konnte, auch hier zahlreiche Assoziationen zu eigenen Gedanken und Erlebnissen. Wobei der Künstler den Interpretationen wie immer freien Lauf lässt. Die/der Betrachtende soll selber entscheiden, was er darin sieht und erkennt. Auch der Titel der Performance, „Geheimnis unter Dir“, lässt vieles offen und die Bedeutung soll jeder für sich selbst lösen.
Der Künstler wurde im Verlauf der Performance vom „Begleittross“ immer wieder mit Beifall bedacht. Und hin und wieder überlagerte das Horn des Stadtwächters, der gerade zur selben Zeit eine Gruppe von Tourist:innen durch die Altstadt von Bregenz führte, das Geschehen.
Lorenz Helfer, geboren am 4. Jänner 1984 in Hohenems, absolvierte an der Universität für Angewandte Kunst in Wien das Studium der Malerei bei Wolfgang Herzig und Johanna Kandl und zog nach Jahren in der Donaumetropole und nach Aufenthalten in Italien, Portugal, Spanien und Brasilien im Jahre 2018 nach Vorarlberg zurück und wohnt und arbeitet heute in Bregenz. 2020 bezog er sein Atelier im Schöller Areal. Wenn er nicht malt, liebt er es eigenen Angaben zufolge zu spazieren, sich um seine Wohnungspflanzen zu kümmern und (unverkäufliche) Möbel zu bauen. Er ist auch bereits mehrfach ausgezeichnet, etwa mit dem Förderpreis des Landes Vorarlberg oder dem Hubert Bechtold Kunstpreis.
Das weitere Programm des Café Trabalho im Verlauf des Februars:
Sa, 8.2., 16 Uhr: Mirjam Steinbock: „Backen und reden“ (Performance-Talk)
Fr, 14.2., 19 Uhr: Véronique Homann: Sabotage (Performance-Lesen)
Do, 20.2., 19 Uhr: Hubert Matt, José Oliveira, Lukas Weithas: „Ich habe keine Zeit zum Arbeiten“
Fr, 28.2., 19 Uhr: Maria Lisa-Huber: „Britney in vitro“