Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 17. Dez 2021 ·

House of Gucci

"House of Gucci" erzählt von einer verrückten Mode-Dynastie, die durch den Auftragsmord am Erben Maurizio Gucci (Adam Driver) hier noch einmal interessant wird. Dabei gelingt es, aus der Mitte der Glamour-Exzesse heraus ein Gefühl für jene Frau (Lady Gaga als Patrizia Gucci) zu vermitteln, die die Mörder losgeschickt hat.

Die theatralische, zwischen schwülstiger Inszenierung und Coolness wechselnde Modewelt satirisch, ja als Farce zu sehen, ist grundsätzlich kein falscher Ansatz. Schon gar nicht für eine Verfilmung der ziemlich verrückten Welt des Mailänder Mode-Clans Gucci in den Siebziger Jahren. Der Name ist weltweit ein Begriff, doch kein einziges Mitglied der Familie hält heute noch Anteile am Gucci-Konzern, was mit Missmanagement, Intrigen und wohl vielen schlechten Entscheidungen zu tun hat. In Ridley Scotts jüngstem Film steht die Familie aber weniger wegen ihres Glamour-Faktors (davon gibt es im Film genug) im Mittelpunkt, sondern vielmehr als Pate für eine höchst vertrackte Geschichte. Ein Auftragsmord, wie er sonst eher in Mafia-Epen vorkommt, ist der Anlass: Eine junge Mailänderin namens Patrizia Reggiani lernte in den Siebzigerjahren den Enkel des Firmengründers Maurizio Gucci kennen, erlebte einen sozialen Aufstieg, wurde Mitglied der Dynastie und am Ende von ihrem Mann für eine jüngere Frau verlassen. 1995 organisierte sie zwei Auftragskiller, die, bereits Jahre nach der Trennung, ihren Ex-Mann töteten.

Perspektivenwechsel

Die Fronten für die dramaturgische Aufbereitung des Stoffes scheinen also klar, doch Ridley Scott überrascht mit einer Verfilmung, die es schafft, aus der burlesken Extravaganz seiner Protagonisten ein Gefühl für die eigentliche Hauptfigur des Films herauszulösen. Lady Gaga schlüpft, weit weg von den Choreografien ihrer Popvideos, in die Rolle einer Frau, bei der man in fast jeder Szene die große Differenz zur Welt der Mode-Aristokratie spüren kann. In wenigen Szenen pirscht sie sich, in einer Mischung aus Unsicherheit und wildem Unternehmertum, an den Gucci-Erben Maurizio (Adam Driver) heran und schafft es, ihn aus dem Familiengefüge herauszubrechen. Der Vater (Jeremy Irons als dauerverschnupfter, melancholischer Firmenchef) verstößt ihn fast, und der angehende Millionärssohn, der ganz zu seiner Geliebten steht, findet sich schon bald wie neugeboren in proletarischen Lebensverhältnissen zwischen LKW-Fuhrpark und Bügelbrett wieder. Scott inszeniert in oftmals überbordenden Szenen eine vitale Beziehung, in der Patrizia Reggiani aus dem verstockten Jus-Studenten die Lebensgeister lockt. Der Witz an diesen Bildern ist aber nicht, dass hier eine Art heile Lovestory vermittelt wird, sondern dass Reggiani vielmehr eine Art Golem erschafft, dessen späteres Eigenleben sich gegen sie selbst wenden wird. Hier liegt der Schlüssel für die Interpretation der Hintergründe der mörderischen Wendung, von der "House of Gucci" handelt. Das Motiv für den Auftragsmord ist nicht nur in der Emotion der verlassenen Ehefrau zu suchen, sondern findet sich im Selbstverständnis der großbürgerlichen Familiendynastie, in der Exklusivität und Exklusion eng verbunden sind. Scott setzt mehrere Szenen wie einen Drahtseilakt ins Bild, wenn Reggiani, noch als treibende Kraft im brach liegenden Familienunternehmen, einen grandiosen Al Pacino als Onkel Aldo als Verbündeten instrumentalisiert (was er ebenso mit ihr betreibt). Sie agiert immer auf fremdem Terrain, wird im gesamten Film nie kooptiert und wird schließlich, als Maurizio sich konsolidiert hat, in einem präzise gefassten Ende, bloßgestellt und vollständig enteignet. Auch wenn Scott mit seiner Schauspielführung zur Überzeichnung neigt (etwa Jared Leto als Maurizios dummdreister Cousin Paolo) und im recht holprigen Einsatz der Musik zu merken ist, dass Scott sich hier auf fremdem Terrain bewegt: "House of Gucci" verfehlt sein Ziel nicht, einer pikanten Mordgeschichte aus den 1990er Jahren vor allem dadurch wieder Relevanz zu verschaffen, indem er die Perspektiven dieser Geschichte erweitert und sie vielleicht sogar in das Gegenteil verkehrt. Viel Anteil daran hat Lady Gaga, und auch wenn das spekulativ sein mag, ist dieser glamouröse Fall sehenswert.