Quand vient l'automne - Wenn der Herbst naht (Foto: Filmcoopi Zürich)
Sieglinde Wöhrer · 19. Jul 2025 · Theater

Glitzer unter dem Fallbeil

Im Rahmen der Bregenzer Festspiele hat das Burgtheater am Freitag in Bregenz „bumm tschak oder der letzte henker“ in der Regie von Stefan Bachmann uraufgeführt. Im Richtspiel von Ferdinand Schmalz schlägt der elektronische Beat zur Todesstrafe.

Der Vorhang hat die Form eines Fallbeils und schließt sich mit einem tiefen Dröhnen. Zuvor wird das Publikum geblendet vom grellen Licht. Gleichmäßig verläuft der Beat, die Figuren tanzen auf dem Stahlgitter, das steil nach unten geht und auf dem später die Köpfe in den Abgrund rollen. Der Club ist wie eine abgekapselte Innenwelt mit entschärften Kontrasten und eigenen absurden Regeln, die sich willkürlich ändern. Angelehnt an den politischen Zirkus tragen die Figuren Glitzerkostüme, Josef Lang (Max Simonischek) wirkt wie der Direktor seiner Manege, die Arena ist der Tanzboden im Club, wo er im Nebel hofft, dass „das schicksal ihn nicht findet“.

In der Bredouille

Die Figur des Josef Lang orientiert sich an der historischen Person Josef Lang, den letzten Scharfrichter der österreich-ungarischen Monarchie, der mit seinem Bild als lachender Henker auf Postkarten gedruckt wurde und nun in der kunstvoll verspielten Sprache von Ferdinand Schmalz in poetischen Reimen zur Marionette wird. Mit der Uraufführung von „bumm tschak oder der letzte henker“ hat das Burgtheater die sprachlichen Bilder mit einem fast durchgängigen Beat ergänzt, der im Techno-Rhythmus die Szenen durchdringt und groteske Situationen mit sphärisch-futuristischen Klängen hinterlegt. Ein schiefer Gitterboden und Nebel erzeugen ein düsteres Bild (Olaf Altmann) für den teils makaberen Inhalt, der farblich passend ins Absurde übergeht. Surrealistisch angehaucht bewegen sich die Figuren rot, pink, weiß und schwarz glitzernd insektenmäßig über die Bühne. Mit einem gelben kegelförmigen hohen Hut macht der plötzlich lebensfrohe Delinquent (Stefan Wieland) gleich einen noch dünneren Eindruck. Wie ein Parasit hängt die Aktivistin (Maresi Riegner) auf dem Clubbetreiber und lässt ihren Wirt in die Bredouille geraten, bis Josef Lang entgeistert mit einer Axt in den Händen völlig neben sich steht. Für seine(n) „Flo(h)“ macht er den Henker und auch wenn zum Ende hin das „haupt des oberhaupts“ auf der Kippe steht, ist Josef Lang längst der wahre Kopflose im ganzen Stück.
Unter dem Fallbeil als Bühnenbild im endlosen schwarzen Nachthimmel bietet der Club einen Zufluchtsort abseits der „knapp“ gewordenen Welt. Eine glanzvolle Tür (Stefanie Dvorak) hat die Kontrolle über das Innenleben, in dem die Frequenzen die Menschen brechen können und Politiker in Séparées die Dinge drehen und wenden. Die Kanzlerin (Melanie Kretschmann) bietet euphorisch eine „persönliche art des regierens“, in der sie auch alle schlechten Entscheidungen selbst trifft und während sich ihre beiden Schatten links und rechts zwiespältig teilen, sinniert sie über Naturgewalten. Vom Machthunger verrückt wird ein Safe Space schnell zum „safe space für unsere leut“. Dann „braucht’s eine sprache, die die gewalt nicht mehr kaschiert, eine sprache, die zupackt, bumm tschak, wie ein tiefer bass in der magengrube des gesellschaftskörpers“.

Rasante Handlung

Gerade noch bewegen sich die Schauspieler:innen in Zeitlupe, da werden sie schon von der rasant fortschreitenden Handlung eingeholt und hinter Gitter verfrachtet, wo das Fallbeil gefährlich nahe an den Köpfen hängt. Wie eine Spinne krabbelt der Strafvollzugsbeamte (Stefanie Dvorak) mit Hut auf dem schrägen Boden lässt sich ein auf Flamboyanzas (Thiemo Strutzenberger) zynisches Geschwafel vom durch seit Jahren abgesessener Zeit verdienten Bonus, den er für zukünftige Straftaten angesammelt hätte. Schauspielerisch glänzen auch die clownhaften „systemschergen“ Sarah Viktoria Frick und Mehmet Ateşçi̇ als Wachhunde der Kanzlerin in synchronen Episoden mit ihrem grotesken Witz.
Ferdinand Schmalz verdreht Begriffe und Redewendungen und erschafft dabei eine lautmalerische Textfläche, die sich künstlerisch klangvoll, aber auch gewaltig über die Bühne legt. In der Ironie nimmt sie Bezug auf reale politische Ereignisse und die manchmal lächerlich an ihrer Eitelkeit scheiternden Autokraten unserer Zeit.

weitere Vorstellungen: 20., 21., 22.7. jeweils 19.30 Uhr
Theater am Kornmarkt, Bregenz
https://bregenzerfestspiele.com