Bregenzer Festspielkrise: Intendant Pountney hat alles richtig gemacht – bis jetzt!
Was haben wir doch damals hämisch mit den Fingern nach Wien gezeigt, als es um die Nachfolge von Ioan Holender als Direktor der Wiener Staatsoper ab 2010 ging. Unterrichtsministerin Claudia Schmied hat damals ihren Chef und Parteikollegen Alfred Gusenbauer handstreichartig ausgetrickst und anstelle des von ihm favorisierten, reichlich strapazierten Opernsängers Neil Shicoff den vifen Franzosen Dominique Meyer ins Amt gehievt. Ähnliche Fälle von intrigenreichen Ränkespielen sind uns mit schöner Regelmäßigkeit bei Neubesetzungen der Intendanz in Salzburg zu Ohren gekommen. Wir haben uns dabei stets die Hände gerieben: Bei uns im „suubara Ländle“ läuft so etwas seriös ab und mit Handschlagqualität, da wird nicht mafiös unter der Bettdecke gemauschelt.
Nun haben wir den Salat in Bregenz serviert bekommen, als es um die gesetzlich vorgesehene Neuausschreibung des Intendantenpostens mit der Möglichkeit einer Vertragsverlängerung des durchaus erfolgreichen derzeitigen Intendanten David Pountney ging. Da wurde nun dessen länger schwelender Konflikt mit dem mächtigen langgedienten Festspielpräsidenten Dipl.-Ing. Günther Rhomberg offenbar, der dessen Wiederbestellung auf weitere fünf Jahre über 2013 hinaus mit allen Mitteln verhindern wollte. Ob man Pountney nun im Vorfeld mitgeteilt hat, er brauche sich gar nicht mehr zu bewerben, was dieser bestreitet, ist dabei zweitrangig. Es geht viel mehr darum, dass Rhomberg vor seinem eigenen Abgang aus Altersgründen als Festspielpräsident noch die Weichen der Festspiele für die Zukunft in seinem Sinne geregelt haben möchte, also mit einer neuen, jüngeren Führung, und dabei sein ganzes Machtpotential ausspielt.
Eifersucht im Spiel?
Und es dürfte nicht zuletzt auch etwas Eifersucht im Spiel sein, dass Pountney in seinen bald zehn Jahren Amtszeit doch respektable Erfolge von zum Teil internationalen Dimensionen einfahren konnte und entsprechend hoch in der Gunst der Politiker und der kulturellen Öffentlichkeit stand, während Rhomberg dabei eher ein Schattendasein führte. In der Tat hat Pountney wirklich bis jetzt alles richtig gemacht, und seine größte Tat in Bregenz, die für ihn zu einem bleibenden Denkmal werden wird, ist sein Weinberg-Schwerpunkt im vergangenen Jahr. Was er da an kultureller Potenz eines Verfemten und Vergessenen aus der Sowjetunion ins Scheinwerferlicht gestemmt hat, allem voran die von ihm selbst inszenierte geniale Oper „Die Passagierin“, macht ihm so rasch keiner nach.
"André Chenier" - Zu mutige Programmierung Pountneys?
Auf der anderen Seite ist die Verlängerung eines gut dotierten Intendantenvertrages aber letztlich natürlich nicht bloß eine Dankesabstattung für das bisher Geleistete – es geht vor allem um Pläne für die Zukunft des Festivals. Und die dürften neben Rhomberg nun auch manch anderen Verantwortlichen der Festspiele sauer aufgestoßen sein. Pountneys Mut in allen Ehren – aber allein mit den Planungen der beiden Hauptacts in Bregenz ab heuer hat er sich möglicherweise doch etwas zu weit aus dem Fenster gebeugt. Wie kann man, fragt sich der lang gediente Bregenzer Festspielbesucher, auf der Suche nach unbedingt Neuem für 2011 als Spiel auf dem See ein Werk wie Umberto Giordanos „André Chenier“ ansetzen, eine sicher spannende Revolutionsoper aus der Zeit des Verismo, die aber dem Durchschnitts-Kulturinteressenten praktisch unbekannt ist. Er hält im besten Fall den Namen des Komponisten für den einer bekannten italienischen Weinfirma. Und das bei einer Produktion, mit der man in zwei Jahren nach bisherigen Vorgaben bis zu 400.000 Menschen anlocken möchte.
Die Frage ist nun: Was ist für das oft in Operndingen unbedarfte Seepublikum stärker – die Anziehungskraft der „Marke“ Bregenz mit der großen Show am See, der man erliegt, egal, was dort gegeben wird, oder die Wirkungskraft auch eines bestimmten Werkes mit seinen populären Melodien, wie das auch bisher der Fall war. Den Bammel, den die Festspielleute vor dieser riskanten Entscheidung selber haben, lässt sich allein an der Tatsache ersehen, dass man im Vorjahr zur zweiten „Aida“ den Besuchern Gratis-CDs mit den wichtigsten Musikausschnitten von „André Chenier“ in die Hand gedrückt hat – „zum Kennenlernen“. Und ein deutlicher Besucher-Flop im ersten Jahr würde bedeuten, dass man für 2012 in aller Kürze ein anderes Werk für die Seebühne aus dem Boden stampfen müsste – das wäre eine Katastrophe, gilt doch die Seeproduktion seit langem als „Cash-Cow“, mit der Projekte wie „Kunst aus der Zeit“ mitfinanziert werden.
Poutneys riskanter neuer Weg bei der Hauoper
Die zweite Weichenstellung Pountneys betraf die Oper im Haus, seit Wopmanns Zeiten begehrter Anziehungspunkt für ein internationales Opernpublikum, das sich dort regelmäßig an erfolgreichen Ausgrabungen fast vergessener Werke delektierte. Auf dieser Schiene will Pountney nun in einer radikalen Abkehr ab heuer nur noch Opern-Uraufführungen bringen, die die Festspiele in Auftrag gegeben haben. Eine ungemein mutige und begrüßenswerte Entscheidung zwar im Sinne des Kunstschaffens unserer Zeit – allerdings bangt man im kaufmännischen Bereich auch hier um die notwendige Auslastung, denn extrem neue Töne sind nun einmal auch bei auswärtigen Opernfreunden nicht jedermanns Sache. Und auch bei treuen Bregenzer Festspielbesuchern, die schon in den vergangenen Jahren mit allzu viel Unbekanntem bei den Orchesterkonzerten konfrontiert wurden, werden jetzt deutliche Bedenken laut. Erst am Freitag etwa wurde bei einem Konzert des Symphonieorchesters Vorarlberg im Feldkircher Montforthaus ein neues Werk des Vorarlberger Komponisten Michael Amann vom Publikum deutlich abgelehnt.
Also, wie heißt es so schön in Bizets Oper „Carmen“, die man auch in Bregenz schon gegeben hat? „Auf, in den Kampf, Torero!“ Es ist angerichtet, die Messer sind gewetzt, und es wird spannend werden zu sehen, wer letztlich die besseren Argumente hat. Oder die besseren Hintermänner. Womit Bregenz auch nicht mehr besser ist als Wien oder Salzburg.