"Old White Clowns" derzeit am Vorarlberger Landestheater (Foto: Jos Schmid)
Silvia Thurner · 01. Jul 2024 · Musik

Frenetischer Jubel in der Basilika Rankweil

Die Uraufführung von Gerda Poppas Oratorium OmegAlpha war ein voller Erfolg

Die Basilikakonzerte Rankweil luden zu einem Großereignis. Lange war die Uraufführung des von Gerda Poppa komponierten Oratoriums OmegAlpha erwartet worden. Die Werkpräsentation kam genau zur richtigen Zeit, denn vor kurzem wurde bekannt, dass Gerda Poppa den Kompositionspreis des Landes Vorarlberg 2024 erhält. Mit dieser groß angelegten Komposition stellte sie ihr Können eindrucksvoll unter Beweis. Der Kirchenraum konnte die zahlreichen Besucher:innen kaum fassen, das Mesmerstüble platzte bei der Werkeinführung aus allen Nähten. Es wurde zu einem einmaligen Erlebnis, das 70-minütige Solist:innen-, Chor- und Orchesterwerk in einem gemeinsamen Kraftakt des Kammerchores Feldkirch, eines Ad-Hoc-Orchesters sowie der Mezzosopranistin Lea Elisabeth Müller, der Altistin Veronika Dünser sowie des Bassisten Martin Summer unter der Leitung von Benjamin Lack mitzuerleben.

Gerda Poppa hat sich lange auf die Komposition eines Oratoriums vorbereitet. Schließlich hat sie auf einer Passage aus der Geheimen Offenbarung des Johannes aufbauend, einem Gedicht von Goethe und eigenen Texten eine formal gut strukturierte Komposition mit einer bedeutungsvollen Botschaft verfasst. In den Kapiteln 8-10 der Apokalypse wird von den sieben Engeln erzählt, die die sieben Posaunen blasen und damit Unheil und Leid über die Menschen bringen. Diese Bilder inspirierten Gerda Poppa und sie stellte die sieben Plagen und die Zerstörung der Welt in Beziehung zu unserer von der Klimakrise, Umweltzerstörung, Artensterben und Krieg gebeutelten Gegenwart.

Bebende Aussagen

Musikalisch fasste sie die apokalyptischen Darstellungen in äußerst dringliche Bilder. Sofort mit dem Beginn wurden die Zuhörenden vom bebenden, mit viel Perkussion und vorwärts preschenden Motiven ausgestattetem Klangfluss in den Bann gezogen. Die Verzweiflung über die Zerstörung stellte der Kammerchor Feldkirch hervorragend disponiert dar. Die Stimmführungen wirkten transparent und die Chorsänger:innen agierten überaus wandlungsfähig. Sie sangen, stimmten die Passagen in den abschnittweise modal geführten Tonschichtungen, fesselten mit einer prägnanten rhythmisierten Diktion, die zwischen Singen, Deklamation und Rufen angesiedelt waren. Markant traten diese Qualitäten im Chor und in den Solist:innenparts unter anderem in Gier" hervor. Der grelle Vokallaut i" sowie die absinkenden siebenteiligen Tonfloskeln der Trompete verstärkten die Wirkung. Gerda Poppa fügte in die dramatischen Schilderungen zwei Passagen ein, die sich sowohl sprachlich als auch in der melodischen Linienführung von den anderen abhoben. Die Aufzählung der ausgestorbenen Tierarten in lateinischer Sprache änderte die Klangfärbungen der Sänger:innen und verströmte durch die an den gregorianischen Choral angelehnte Melodik eine große Wirkung. 
Dazwischen gelagert erklangen zwei Loblieder, in denen das Wasser und das Licht als Lebensspender besungen wurden. Die beiden Loblieder" standen im Zentrum des dramatischen Geschehens und stellten zugleich einen Wendepunkt dar. Durch die rhythmisierten Streicherpassagen, die Sprache und verstärkt durch die kantige Perkussion erklangen sie markant ausformuliert. Jedoch dämpfte der weitgehend im Rezitationston, mit eher wenig lyrischen Eigenschaften gehaltene Duktus, den Charakter der Loblieder.

Visionäre Wendung

In der zweiten Anrufung wurde der Psalm Herr, sei mein Hirte" mit der brutal wirkenden Rezitationspassage über Ermordete, Zerbombte, Vertriebene, Hingerichtete und der Leidensgeschichte Jesu überlagert und damit ein eindrücklicher Höhepunkt geschaffen. Das Orchester akzentuierte die Wortrhythmik und verstärkte durch den Einsatz der Marschtrommel das Empfinden.
Dem Werktitel OmegAlpha" entsprechend, endete das Oratorium mit einer Vision. Nach der Apokalypse wurde ein versöhnliches Ende mit einem Blick zum (Neu)beginn, dem Alpha, angedeutet. Ein instrumentales Interludium leitete diesen Teil ein. Musikalisch wirkte der Kontrast zu den eindringlichen musikalischen Katastrophenschilderungen fast zu wenig ausgeprägt. 

Wirkmächtige Solist:innen und Orchestermusiker:innen

Die Mezzosopranistin Lea Elisabeth Müller, die Altistin Veronika Dünser und der Bassist Martin Summer formten die politischen Parts dieser herausragenden Werkpräsentation. Ihre Meisterschaft, das Engagement und der große Gestaltungswille zeichneten sämtliche Solopassagen aus. Das wunderbar weiche und zugleich kraftvolle Timbre der Sängerinnen und des Sängers kam wunderbar zur Geltung und brachte interessante textdeutende Klangfarben ein. Überdies machte die deutliche Artikulation das geschilderte Geschehen gut verständlich.
Der Kirchenraum der Basilika bot auch dem Orchester exzellente Bedingungen. Nur an sehr wenigen Stellen war die Balance zwischen dem Orchesterpart und den Solist:innen nicht ideal. Aus den Reihen des Orchesters traten insbesondere Andreas Hofer mit den sieben hervorragend dargebotenen Posaunen-Signaturen", die Flötistin Sofia Rzaeva im Interludium und die Organistin Julia Rüf-Winder mit der markant in den Raum gestellten Toccata in den Klangvordergrund.
Der Tatendrang aller Beteiligten und das aufmerksame Publikum bewirkten eine inspirierende Atmosphäre. Zusammengehalten wurde die Aufführung von Benjamin Lack. Höchst professionell, mit Elan und motivierender Ausstrahlung leitete er alle Mitwirkenden durch dieses anspruchsvolle Werk, kristallisierte die Schwerpunkte heraus und zelebrierte den in Musik gesetzten Text mit großer Aussagekraft.

Großartiger musikalischer Leiter

Weil er in Graz eine Professur inne hat, verabschiedete sich Benjamin Lack mit dieser Uraufführung als Leiter des Kammerchores Feldkirch. In der nächsten Zeit wird er darum lediglich als Dirigent des Symphonieorchesters an der Stella Musikhochschule tätig sein und das PulsArt Ensemble leiten. Mit Standing Ovations dankten die begeisterten Zuhörerinnen und Zuhörer. Wohl alle waren sich dessen bewusst, dass mit der Uraufführung von OmegAlpha" ein Markstein in der Geschichte der Basilikakonzerte Rankweil gesetzt wurde.