Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 22. Nov 2019 · Film

Zwingli

Ein Kinofilm über Zwingli mag überraschend wirken. Anders als Luther ist dessen Bekanntheit beschränkt. Doch der Schweizer Reformator, der noch vor Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt hat, wird im Film nicht nur als Kirchenerneuerer gezeigt, sondern auch als großer Sozialreformer. Darin besteht auch der Wert dieser recht geradlinigen Verfilmung.

Vor der Wasserkirche in Zürich steht er zwar mit dem Schwert in der Hand, im Film begegnet einem aber ein Mann, der auf Vernunft und Augenmaß setzt. „Zwingli“ ist fast das Porträt eines Mannes, der nun rehabilitiert werden soll. Der Schweizer Reformator, der mit seiner kleinen Gruppe Verschworener noch vor Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt hatte, stellt sich im Film gegen die Bilderstürmer in seinen eigenen Reihen. Zugleich greift er die Kirche frontal für ihre Missstände an: Er bezeichnet den Ablasshandel als Geschäftemacherei, leugnet die Existenz des Fegefeuers, stellt den Zölibat in Frage und hält seine Kirchenpredigten in deutscher Sprache. Viele Bewohner Zürichs sind begeistert, erfahren erstmals die wahre Botschaft des Evangeliums. Eigentlich ist „Zwingli“ (Drehbuch von Simone Schmid) fast ausschließlich um das Reformwerk dieses Mannes gruppiert. Anders als die Verfilmung von „Luther“ vor wenigen Jahren zollt der Schweizer Regisseur Stefan Haupt einem großen Religionserneuerer vor allem als Sozialreformator Tribut. Mit Max Simonischek, dessen Zwingli am liebsten in der schwarzen Kutte auftritt, um sich vom goldenen Prunk der Kirchenbonzen abzuheben, erhält die Figur eine physische Präsenz, die Zwingli in Wirklichkeit wohl eher nicht hatte. Simonischek ist so etwas wie ein Kämpfer – nur eben ohne Schwert. Mit Anna Reinhart (Sarah Sophia Meyer) als spätere Ehefrau des Priesters wird ihm eine durchwegs selbstbewusste Frau an die Seite gestellt, die man sich vor 300 Jahren nicht so vorstellen kann. So werden die Zwinglis zu einem Paar, das die selbstherrlichen Kirchenleute, allen voran den Antagonisten Zwinglis, Generalvikar Johann Faber (Oscar Sales Bingisser), ordentlich durchrüttelt. Anders als einigen im demütigen Kirchenvolk, die es wegen des forschen Vorgehens der Rebellen mit der Angst zu tun bekommen, wird dem Kinopublikum ein Mann geboten, der alle Argumente auf seiner Seite hat. Ein Evangelist im besten Sinn, der die Perversion der Macht benennt und einer verwahrlosten Gesellschaft, in der selbst Waisenkinder auf sich gestellt sind, wieder einen sozialen Rahmen gibt.

Reduktion auf den Wert

Es ist interessant, wie sehr sich „Zwingli“ dabei auf eine Art Kammerspiel-Charakter beschränkt. Zwar erhascht man Bilder leergeräumter Kirchen oder sieht die Grausamkeiten einer Amtskirche in kurzen Einschüben: Da werden Täufer ertränkt oder lebendig verbrannt. Aber die Triebfeder dieses Films ist nicht das epische Erzählkino, sondern das Handeln seines Protagonisten an der Gegenwertigkeit seiner Reformen zu messen. Immer wieder Dispute mit den Mächtigen der Kirche, die sich fast an einem Knochen ihres fetten Bratens verschlucken. Und natürlich die Themen, die die katholische Kirche auch heute noch beschäftigt. Oben aufgezählt, sind es fast genau dieselben, wie sie in diesem Film verhandelt werden. In der Beharrlichkeit, mit der „Zwingli“ diese Fakten durchdekliniert, wird letztlich das historische Porträt des Kirchenreformers selbst auf eine wohltuende Weise überstrahlt.