Das Nederlands Dans Theater 2 beim Bregenzer Frühling (Foto: Udo MIttelberger)
Gunnar Landsgesell · 04. Feb 2022 · Film

Wunderschön

Karoline Herfurth erzählt am Beispiel von fünf Frauen von Schönheitswahn und Körpernormen - und dass Selbstoptimierung nicht die Antwort sein kann. Eine pointierte, teils anrührende Komödie mit leisem Humor, die dem Thema aber keine neuen Perspektiven abringen kann.

Bei der Verlogenheit der Model-Branche tut sich der Film am leichtesten: „Ich mach einfach mein Ding“, sagt eine der gertenschlanken jungen Frauen, die ihre Persona auf Insta und Co pflegen, lächelnd in die Kamera. Von Abführmitteln und künstlichem Brechreiz erfährt man dann später im Film. Auch das 25-jährige Model Julie (Emilia Schüle) hofft, dass sie es so wieder auf die „A-Liste“ zurückschafft. „Wunderschön“ versammelt prototypisch fünf Frauen, deren Körper bzw. Lebenssituationen sich von den gesellschaftlich propagierten Idealen deutlich unterscheiden. Sonja (Karoline Herfurth) hat nach zwei Kindern mal kurz ins Bild gesetzten Hängebauch, während ihr Mann sie in die Rolle der Mutter gedrängt hat. Die Kunstgeschichte-Lehrerin Vicky (Nora Tschirner) lehnt als Feministin Paarbeziehungen ab, sie glaubt an diese Idee einfach nicht. Leyla (Dilara Aylin Ziem) wird in der Schule als die Dicke verspottet und erfährt auch durch ihre fitte Mutter keinerlei Rückhalt. Und Frauke (Martina Gedeck) sucht Fehler bei sich, weil ihr emotional verkümmerter Ehemann sich nicht mehr für sie interessiert.

Ein Film mit Anliegen


Soweit wirkt alles wie aus dem Leben gegriffen. Dass Herfurth, die auch Regie geführt hat, aber vom Problemfilm zur Komödie kommt, braucht es eine Ironisierung der Verhältnisse. Am besten gelingt das mit der Figur von Vicky, deren fröhliches Eremitinnentum durch einen Lehrerkollegen in eine Zweisamkeit zu entgleiten droht. Nora Tschirner lädt ihre Figur mit einer überdrehten Energie aus Entschlossenheit und Verunsicherung auf. Bei allen anderen Figuren kommt das Drehbuch (Herfurth ist auch Ko-Autorin) über durchwegs präzise beschriebene, aber berechenbare dramaturgische Wendungen nicht hinaus. Die dicke Schülerin, deren Leben sich durch einen Sportverein verändert; das Model, das über die Bekanntschaft mit einem unglücklichen kleinen Mädchen zu sich selbst findet; die junge Mutter, die ihren Bodyhorror los wird und sich bewirbt. Vielleicht hätte ja Gedeck ihrem Mann das Frühstücksei einmal aufsetzen sollen, statt seine erratische Präsenz so lange zu ertragen. Man merkt, "Wunderschön" ist ein Film, der ein Anliegen hat, und möglichst viel davon hineinpacken möchte. Bemerkenswert ist aber, dass "Wunderschön" trotz allem recht pointiert wirkt, die Protagonistinnen der parallel geführten Handlungsstränge irgendwann sogar zusammenführt und seine Marschrichtung letztlich nicht vergisst. Statt der notorischen Selbstoptimierung gilt die Parole, sich eigener Qualitäten neu zu besinnen. Damit positioniert sich der Film ganz klar mit dem Auftrag, sein Publikum nicht zu deprimieren, sondern mit einem erhebenden Gefühl wieder aus dem Kinosaal in die Welt zu entlassen. Auch wenn der Score darüber zunehmend sentimental bis kitschig wird, berühren einen Herfurth, Gedeck und Tschirner aber doch irgendwie.