Neu in den Kinos: „Teaches of Peaches" Musikdoku des gebürtigen Vorarlbergers Philipp Fussenegger (Foto: Avanti Media Fiction)
Walter Gasperi · 03. Feb 2022 · Film

Aktuell in den Filmclubs (4.2. - 10.2. 2022)

Der FKC Dornbirn zeigt diese Woche mit "Lamb" einen faszinierenden isländischen Mix aus Volksmärchen und Horrordrama. Am Spielboden Dornbirn gibt es dagegen mit Gabriele Muccinos "Auf alles, was uns glücklich macht" ein sich über 40 Jahre spannendes, leidenschaftliches Drama über Freundschaft, Liebe und Leben.

Lamb: Wie viele isländische Filme setzt auch Vladimar Jóhannsson in seinem Spielfilmdebüt auf die Ausdruckskraft der rauen Landschaft der Atlantikinsel und macht sie zu einem Hauptdarsteller. Eine bedrückende Atmosphäre erzeugt der meist wolkenverhangene Himmel und der mächtige, meist schneebedeckte Berg, an dessen Fuß der abgelegene Hof von Ingvar (Hilmir Snaer Guðnason) und Maria (Noomi Rapace) liegt. Trotz dieses rauen Ambientes und der Abgeschiedenheit führt das Paar ein harmonisches Leben und auch der Kinderwunsch erfüllt sich, als die Schafe werfen und Maria unter den Lämmern ein ganz besonderes Exemplar entdeckt und als ihr eigenes Kind annimmt. Bewegung kommt in die Kleinfamilie, als Ingvars Bruder auftaucht, doch nicht nur er bedroht die Harmonie.
Von Volksmärchen hat sich Jóhannsson inspirieren lassen, doch die Fantasy- und Horror-Elemente nützt er vor allem, um im Kern ein düsteres Drama zu erzählen. Langsam, aber intensiv entwickelt er die Handlung, deren Verlauf unvorhersehbar bleibt, und erzeugt Dichte durch die Beschränkung auf den Hof als einzigen Schauplatz und wenige Charaktere.
Wesentlich zur Irritation und Faszination trägt aber auch das ungewöhnliche Kind und sein Verhältnis zu den Eltern bei. Wie mit dieser Beziehung, aber auch mit dem Gegensatz von abgelegenem Hof und weiter, öder Landschaft ein Spannungsfeld von Mensch und Natur aufgebaut wird, sorgt nicht nur für großen Interpretationsspielraum, sondern auch dafür, dass einem dieser Film nicht so schnell aus dem Kopf gehen wird.
FKC Dormbirn im Cinema Dornbirn: Mi 9.2., 18 Uhr + Do 10.2., 19.30 Uhr

Auf alles, was uns glücklich macht: Gabriele Muccino begleitet vier Freunde von den 1980er Jahren über 40 Jahre bis 2020. Mit mitreißendem Schwung beschwört der Italiener die Leidenschaftlichkeit und die Lebenslust der Jugendlichen und lässt seine vier Protagonist:innen anschließend unterschiedliche Lebenswege einschlagen. Sie verlieren sich aus den Augen, begegnen sich dann doch wieder und während der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Giulio (Pierfrancesco Favino) als erfolgreicher Anwalt seine Ideale verrät und Wohlstand über soziale Verantwortung stellt, versucht Paolo (Kim Rossi Stuart) als Lehrer Jugendlichen Kultur und Bildung zu vermitteln.
Die weltpolitischen Ereignisse wie der Fall der Berliner Mauer, der Anschlag von 9/11 oder wichtige Momente der italienischen Geschichte werden nur sehr bruchstückhaft zur zeitlichen Verankerung mit den privaten Schicksalen verknüpft. Im Zentrum stehen die vier Freunde. Dynamisch treibt Muccino die Handlung voran, indem er leichthändig zwischen ihnen wechselt, bald diesem, bald jenem folgt und sie auch mehrfach direkt in die Kamera sprechen und Einblick in ihre Gedanken bieten oder die Handlung raffen lässt.
Durch den empathischen Blick und den erzählerischen Schwung ist Muccino nicht nur mitreißendes Erzählkino gelungen, sondern gezielt weckt er auch Erinnerungen an die italienische Filmgeschichte. Wie er inhaltlich an Ettore Scolas "Wir hatten uns so geliebt" anknüpft, in dem vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu den 1970er Jahren von der Freundschaft eines Quartetts erzählt wird, so wird auch explizit die legendäre Trevi-Brunnen-Szene aus Fellinis "La dolce vita" zitiert.
Auch die Dominanz von warmen Farben, viel Italianità und ein großartiger Soundtrack sorgen dafür, dass man sich in "Auf alles, was uns glücklich macht" verlieren kann. Nicht zu übersehen ist aber auch, dass angesichts der Fülle nicht nur auf der zeithistorischen, sondern auch auf der privaten Ebene vieles nur angerissen und wenig ausformuliert wird. Angesichts der emotionalen Kraft sieht man aber locker über diese kleine Schwäche dieses leidenschaftlichen Freskos über das Leben und den Wert der Freundschaft hinweg.
Spielboden Dornbirn: Mi 9.2. + Do 17.2. - jeweils 19.30 Uhr


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