"Die Sterne" im Spielboden Dornbirn: Frontmann Frank Spilker und Philipp Janzen an den Drums (Foto: Stefan Hauer)
Gunnar Landsgesell · 06. Dez 2018 · Film

Widows - Tödliche Witwen

Regisseur Steve McQueen ("12 Years a Slave") überrascht mit einem Heist-Movie, das neue Wege geht. Drei Frauen, deren Männer lange Jahre als Bande Überfälle verübt haben, realisieren eher unfreiwillig einen letzten Plan. McQueen erweist sich als Meister, menschliche Tiefe mit Genre-Konventionen und einer politischen Skizze Chicagos zu verbinden.

Ein Heist-Movie, also einen Banküberfallfilm, weiblich zu besetzen, das klingt nach einer hippen, findigen Idee. Für den schwarzen britischen Regisseur Steve McQueen („12 Years a Slave“, „Hunger“) ist die weibliche Ikonografie aber nicht Programm, sondern nur der Ausgangspunkt für eine knallharte Genrearbeit, in der er – ungewöhnlich genug – auch Raum für Charakterzeichnungen und die Nöte seiner Akteure schafft. So entfaltet sich „Widows“ einerseits als Thriller mit rätselhaftem Plot („Gone-Girl“-Drehbuchautorin Gillian Flynn), andererseits als Studie einer Einsamkeit, in der drei Frauen (ergänzt um Cynthia Erivo als Fluchtwagenfahrerin Belle) urplötzlich aufeinander angewiesen sind. Unterfüttert wird diese Situation von einer politischen Fehde um den Sitz im Stadtrat von Chicago. Die mysteriösen Geldströme, die den Plot von „Widows“ befeuern, haben auch irgendetwas mit der Politik zu tun. Doch der Reihe nach.

Neue Wege

Drei Frauen in einer Sauna, die sich noch nie begegnet sind, aber dort den Handshake für einen waghalsigen Überfall vorbereiten sollen – das ist nur eine von mehreren Situationen, mit denen Steve McQueen das Heist-Genre mit Bildern besetzt, die sich irgendwie neu oder zumindest anders anfühlen. Die drei Frauen haben eben ihre Ehemänner verloren, sie hatten jahrelang als Bande gemeinsam Raubzüge betrieben. Der Film zeigt ihren Tod zu Beginn in scharf geschnittenen, spektakulären Szenen und kündet von der Härte, die sich bald auf diese Protagonistinnen übertragen wird. Kurz nach dem Begräbnis wird Veronica (Viola Davis) in ihrer Wohnung von einem psychopathischen Kriminellen (Daniel Kaluuya aus „Get Out“) heimgesucht, der die Schulden ihres Mannes bei ihr eintreiben will. Mit der Spurensuche Veronicas nach der Vergangenheit ihres verstorbenen Mannes (Liam Neeson) stößt sie auch auf dessen nicht realisierte Pläne für einen Überfall. Gemeinsam mit den beiden anderen Witwen, der scheinbar unbedarften Alice (Elizabeth Debicki) und der zweifachen Mutter Linda (Michelle Rodriguez) gerät man in den eigenwilligen Strudel von „Widows“, in dem die Psychologie dieser Frauen und die politische Psychogeografie der Stadt Chicago eine mindestens so große Rolle spielen wie die Vorbereitungen für den Banküberfall. McQueen arbeitet dabei in bekannter Weise mit Bildern, die weniger durch ihre Aktion als durch Impression wirken. McQueen, der aus der bildenden Kunst kommt und als Regisseur einen abenteuerlichen Weg bis zum Thriller gegangen ist, ist ein Meister darin, ohne großes Pathos die Empfindungen seiner Figuren sichtbar zu machen. Neben der Einsamkeit, die vielleicht alle Figuren in McQueens Filmen umgibt, sind es in „Widows“ vor allem die Techniken der Macht, die die Akteure umtreiben. Die physische Grausamkeit des schwarzen Gangsters und „Wahlkämpfers“ (Kaluuya) und die kalte Berechnung von dessen Konkurrenten: Colin Farrell und Robert Duvall als Sohn und Vater eines Familienclans, der seit Jahrzehnten die Politik Chicagos mitbestimmt und deren Wege Veronica nun kreuzt. Der Film lebt auch davon, dass eben keine Profis die Handlung vorantreiben. Vielleicht hält die Geschichte von „Widows“ am Ende einen Twist zu viel bereit, doch auf welche Weise in diesem Film Genre, Humanismus, Politik und Gender verhandelt werden, hat man bislang so noch nicht gesehen. Spannung garantiert.