Demnächst in den Kinos: Die deutsch-französische Coming-of-Age-Geschichte "Tandem – In welcher Sprache träumst du?" (Foto: Julien Poupard, Les Films de Pierre, Port au Prince Pictures)
Walter Gasperi · 07. Nov 2018 · Film

Vorarlberger Kulturpreis 2018: Die nominierten FilmemacherInnen boten Einblick in ihr Werk

Zum vierten Mal verleihen heuer Casino Bregenz und die Sparkasse Bregenz den mit 15.000 Euro dotierten „Vorarlberger Kulturpreis“. Nach Schauspiel, Tanz und Jazz wurde heuer die Sparte Film ausgewählt. Von der Filmkommission des Landes wurden Philipp Fussenegger, Felix Kalaivanan, Claudia Larcher, Veronika Schubert und Marie-Thérèse Zumtobel nominiert, die am Dienstag, den 6. November, im ORF-Funkhaus Einblick in ihr Schaffen boten.

Aus den fünf Nominierten wird die aus Diagonale-Direktor Sebastian Höglinger, der Journalistin Sonia Neufeld und Insa Wiese, Leiterin der Kurzfilmwoche Regensburg, gebildete Jury den Preisträger auswählen. Vergeben wird ein mit 10.000 Euro dotierter Hauptpreis sowie zwei mit je 2.500 Euro dotierte Anerkennungspreise.
Eine Stunde Zeit hatten die Filmschaffenden im ORF-Funkhaus, um Einblick in ihr Schaffen zu bieten. Der Jury, deren Entscheidung am 23. November bei einem Festabend im Casino Bregenz bekanntgegeben wird, machten sie es dabei sicher nicht leicht, denn völlig unterschiedlich und nicht vergleichbar sind ihre Werke.

Klassisches Erzählkino

Kurz hielt sich Felix Kalaivanan, der jüngste der Nominierten, der zwei zehnminütige Kurzfilme zeigte, die während seines Studiums an der Wiener Filmakademie entstanden. In dem auf 16-mm gedrehten „Neujohr“ (2016) erzählt der gebürtige Feldkircher von zwei ehemaligen Schulfreunden, die sich nach Jahren der Trennung in einer winterlichen Landschaft zufällig wieder begegnen. Der anfängliche Versuch die Beziehung wieder aufleben zu lassen, mündet dabei zunehmend in eine Konfrontation.
Wird dieser Film vom Dialog dominiert, so vertraut Kalaivanan in seiner jüngsten Arbeit „Metastaaten“ (2018) auf die Bilder. Im Mittelpunkt steht hier der achtjährige Paul, der sich aufgrund der Abwesenheit der kranken Mutter im Wald mit Spielzeugsoldaten eine Parallelwelt aufbaut.
Mit beiden Filmen erweist sich Kalaivanan als Vertreter eines klassischen Erzählkinos. Auch Philipp Fussenegger ist dieser Richtung zuzuordnen. Der Dornbirner präsentierte beim „Abend der Nominierten“ mit „Henry“ (2015) seinen mehrfach preisgekrönten 50-minütigen Abschlussfilm an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Wie bei Kalaivanans „Metastaaten“ steht ein Junge im Zentrum, in diesem Fall der etwa zwölfjährige Henry, der während des Schuljahrs in ein Internat eintritt. Als Neuling stößt der schweigende und in sich zurückgezogene Schüler mit seinem musikalischen Talent auf Feindseligkeit, da er die Führungsposition eines anderen Schülers gefährdet.
Wie Kalaivanan bei „Metastaaten“ kommt auch Fussenegger weitgehend ohne Worte aus und vertraut auf die Kraft der Bilder und der Musik. Im Schwarzwälder Kloster St. Blasien hat er eine eindrucksvolle Kulisse gefunden, die er mit den langen kahlen Gängen und der mächtigen Kirche auch wirkungsvoll einzusetzen versteht, um eine Atmosphäre der Kälte und Beklemmung zu evozieren. Gesteigert wird die Wirkung des Films aber auch durch die mächtige Orgelmusik.

Vielseitige Kamerafrau und Regisseurin

Schwer vergleichbar ist mit den Arbeiten von Fussenegger und Kalaivanan, die als Regisseure und Drehbuchautoren arbeiten, das Schaffen von Marie-Thérèse Zumtobel schon dadurch, dass sich die gebürtige Dornbirnerin als Kamerafrau und Regisseurin versteht. Im ORF-Funkhaus präsentierte sie folglich auch zwei rund halbstündige Filme, bei denen sie für die Kamera, nicht aber für die Regie verantwortlich zeichnete, sowie ein Musikvideo, bei dem sie auch Regie führte.
Während sich Zumtobel beim Dokumentarfilm „#schulausflug“ (2016) , bei dem ihre Kamera eine Schulklasse bei einer Exkursion nach Auschwitz begleitet, als aufmerksame, aber neutrale Beobachterin erweist, involviert ihre Kameraarbeit im Kurzspielfilm „Erlösung“ (2014) den Zuschauer unmittelbar. Darin übernimmt die Kamera nämlich mit wiederholtem Perspektivenwechsel die Position eines der drei Protagonisten, deren Gedanken immer wieder um Selbstmord und Selbstmordversuche kreisen.
In ihrer eigenen Regiearbeit, dem rund fünfminütigen Musikvideo „Ca Ca Caravan“ der Gruppe Fijuka, spielt Zumtobel dagegen leichthändig und witzig mit den Mustern von Science-Fiction-Filmen und -Serien der 1960er Jahre wie „Barbarella“ oder „Raumschiff Enterprise“. Gekonnt kopiert und parodiert sie mit Figuren, Ausstattung, Kostümen und Handlungsmustern dabei die Vorbilder.

Gleitende Kamera, beunruhigendes Sound-Design

Im Gegensatz zu diesem Spiel mit dem Genrekino arbeitet die gebürtige Bregenzerin Claudia Larcher im Übergangsbereich zwischen Bildender Kunst und Film. Mit Arbeiten, die zwischen 2008 und 2018 entstanden, bot sie einen chronologischen Querschnitt durch ihr filmisches Schaffen. Der Bogen spannte sich vom animierten schwarzweißen „Everytown“ (2008), der mit dem Schlusstitel „Coming Soon“ als fiktiver Trailer für einen Science-Fiction-Film ebenso gelesen werden kann wie als Zukunftsvision, bis zu „Ore“ (2018).
In Larchers jeweils rund zehnminütigen „Heim“ (2008), „Self“ (2015) und „Ore“ (2018) vermischen sich Realfilm und Animation teilweise ununterscheidbar. Gemeinsam ist den Filmen, dass in einer einzigen scheinbar ungeschnittenen Einstellung mit langer Kamerafahrt und Schwenk Räume oder auch Körper erkundet werden.
So gleitet die Kamera in „Heim“ vom Dachboden durch alle Räume eines Hauses bis in den Keller, während in „Self“ die Kamera in extremer Nahaufnahme menschliche Haut erkundet. Der Realismus, der hier am Beginn mit Poren und Hautverunreinigungen steht, löst sich hier zunehmend auf, wenn der Körper oder dessen Teile in der Detailaufnahme beziehungsweise durch Animation irreal erscheint, bis die Kamera zur realen Haut mit Haaren zurückkehrt.
Wie bei „Self“ erzeugt auch bei „Ore“ nicht nur die Nähe der Kamera, die keinen Überblick erlaubt, sondern auch das Sounddesign Verunsicherung und Beunruhigung. Der Kreisbewegung in „Self“ stehen andererseits in „Heim“ und „Ore“ lineare Bewegungen gegenüber. So wandert die Kamera in Larchers jüngstem Film zunächst über kaum identifzierbares Material, das aber durch ein Schmiedegeräusch für Metall gehalten werden kann, bis sich überraschend der Blick auf eine gewaltige Miene weitet und die Kamera schließlich in die Dunkelheit des Untertagbaus abtaucht.

Aufwändige Einzelbilder und Worthülsen

Während Menschen in Larchers Filmen weitgehend abwesend bleiben und auf jedes gesprochene Wort verzichtet wird, spielt letzteres in den Filmen der Lustenauerin Veronika Schubert eine, wenn nicht die zentrale Rolle. Mit einem Querschnitt aus ihren Kurzfilmen bot sie einen starken Eindruck von ihrem umfangreichen Werk und machte gleichzeitig in kurzen Making-ofs die aufwändige Machart dieser Animationsfilme, bei denen vielfach jedes Bild einzeln gestaltet werden muss, transparent.
Schubert nimmt immer wieder Sätze aus TV-Meldungen, Serien oder dem Alltag, reißt sie aus dem Kontext und entlarvt die Floskeln. Zu diesen Satzfetzen kombiniert sie Bilder, deren Machart sich jeweils auf das Thema bezieht. So unterlegt sie in „Wartime Conditions“ (2003) Nachrichten- und Computerbilder vom Irakkrieg mit Floskeln, die sich in den Nachrichtensendungen verschiedenster Sender wiederholen. Im „Tele-Dialog“ kombiniert sie Dialogfetzen aus nachmittäglichen Soap-Operas mit 800 gestrickten schwarzweißen Einzelbildern von einem sich bald streitenden, bald versöhnenden Paar.
Wie hier das Stricken der Bilder auf das einfache Strickmuster dieser Serien verweist, so korrespondiert in „Tintenkiller“ der Titel, aber auch die 3.000 mit Tinte und Löschstift bearbeiten Einzelbilder mit dem Auslöschen eines Lebens in Krimiserien, in diesem Fall von „Tatort“, aus dem die Figuren und Sätze entnommen wurden.
Dem statischen Blick der Kamera in „Calle San Francisco“ auf die titelgebende Straße, deren Geschehen in Zeitraffer bis zum Einbruch der Dunkelheit in vier Minuten dokumentiert wird, steht der Kommentar zum Flüchtlingsthema in „In erster Linie“ (2016) gegenüber.
Schubert filmte dafür auf mehr als 3.000 Glasplättchen gravierte Umrisslinien von Wolkenbewegungen und kombinierte diese mit den sich wiederholenden Floskeln, mit denen Politiker von Kurz über Strache bis Häupl und Merkel auf die Situation reagierten. Wie die vorüberziehenden Wolken dabei auf der Bildebene die Flüchtigkeit von Grenzen andeuten, so macht die Collage der Aussagen der Politiker die Absurdität dieser Kommentare und die Hilflosigkeit der Akteure bewusst.