Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Walter Gasperi · 13. Nov 2010 · Film

Unstoppable - Außer Kontrolle

Ein führerloser Güterzug, beladen mit hochgiftigen Chemikalien, rast in Richtung dicht besiedelte Gegend. Kann die Katastrophe verhindert werden? – Die Handlung von Tony Scotts Actionthriller lässt sich auf zwei Sätze reduzieren, wie der jüngere Bruder von Ridley Scott die Geschichte aber inszeniert, sorgt für 90 hochspannende Kinominuten.

Das Vorspanninsert „Nach wahren Ereignissen“ hätte „Unstoppable“ so wenig gebraucht, wie die Informationen über das heutige Leben der Protagonisten im Nachspann. Tony Scott dürfte sich zwar ziemlich genau an ein reales Ereignis in Ohio im Jahr 2001 halten, doch nicht aus dieser historischen Beglaubigung, sondern allein aus der Dynamik und der Energie, die diese Inszenierung entfacht, entwickelt dieser Actionfilm seine Spannung.

Schnörkelloses Actionkino

Auf alle Neben- oder Vorgeschichten verzichtet Scott und erzählt fast in Echtzeit. Während auf einem Rangierbahnhof aufgrund von Fahrlässigkeit eines Arbeiters ein rund eine halbe Meile langer und dementsprechend schwerer Güterzug, beladen mit hochgiftigen Chemikalien, sich ohne Lokführer in Bewegung setzt und immer schneller wird, übernehmen an einem anderen Bahnhof der erfahrene afroamerikanische Zugführer Frank Barnes (Denzel Washington) und sein junger Kollege Will Colson (Chris Pine) einen anderen Güterzug. Verwaschen sind die Farben, kühl die Stimmung. Kein Hochglanzkino will "Unstoppable" sein, sondern in der knappen Zeichnung des Milieus schon eher ein realistischer Film aus einer harten Arbeitswelt.
Wenn das Duo mit seiner Lok langsam um eine lange geständerte Kurve fährt, ist schon klar, dass diese Gefahrenstelle noch eine Rolle im Film spielen wird, sich hier das Finale abspielen muss. Klar ist auch, dass die beiden in Parallelmontage getrennt geführten Handlungen zusammenlaufen werden – und bald befinden sich Barnes und Colson auch auf Kollisionskurs, für Wendungen, durch die Scott die Spannung bis zum Ende sukzessive weiter in die Höhe treibt, wird dennoch gesorgt.
Schnörkellos ist das inszeniert, entschlackt und auf das Wesentliche konzentriert, nur die Gespräche des Zugführerduos über ihre familiäre Situation wirken überflüssig und angesichts der gefährlichen Situation nicht gerade glaubwürdig. Andererseits bringen diese Dialoge die Töchter des einen und die Ehefrau des anderen ins Spiel, mit denen der Zuschauer um die Angehörigen mitfiebern kann. Wie Scott die Ebenen verschränkt, zwischen den beiden Eisenbahnern in der Führerkabine, der Einsatzzentrale, der Firmenleitung, sowie der Medienberichterstattung und den bangenden Angehörigen wechselt und wie er diese Züge wie gewaltige Ungetüme aus einer anderen Zeit immer wieder effektvoll ins Bild rückt, ihre Kraft und Gewalt damit erfahrbar macht, bestätigt ihn als souveränen Handwerker. Kein großes Spektakel ist hier nötig, nur wenig geht zu Bruch, und gemessen an den Maßstäben des heutigen US-Kinos ist auch der Blutzoll sehr gering. Allein aus der Bewegung der Züge, die die Stars des Films sind, und einer Kamera und eines Schnitts, durch die die Dynamik der Ereignisse gesteigert wird, entwickelt sich schweißtreibende Spannung.  

Standardmotive und politisches Statement

Eine solche Zuggeschichte ist nicht neu. Wilde Eisenbahnverfolgungen, dort freilich in der Balance zwischen Spannung und Witz, finden sich schon in Buster Keatons Stummfilm-Meisterwerk „The General“ (1926) und Andrej Konchalowskj ließ 1985 in „Runaway Train“ einen führerlosen Zug mit zwei entflohenen Häftlingen durch die endlosen Weiten des verschneiten Alaska donnern.
Mit einem aus vielen Katastrophenfilmen von „Der weiße Hai“ über „Flammendes Inferno“ bis „Piranha 3 D“ bekannten Motiv wird gespielt, wenn die Firmenleitung aus wirtschaftlichen Überlegungen die schnellste und sicherste, aber für sie kostspielige Lösung ablehnt. Ein Standard ist auch das gegensätzliche Duo, das in der Gefahr zusammenarbeiten muss und sich gegenseitig zu schätzen lernt. Nichts Neues ist dabei auch, dass sich die Erfahrung des alten Afroamerikaners als richtiger und wichtiger erweist als das theoretische Wissen des jungen Weißen und der Bürokraten in der Zentrale. Und mehrfach sah man im Kino auch schon Protagonisten, die kurz vor der Pensionierung noch die größte und gefährlichste Aufgabe ihres Lebens bestehen müssen. Da nützt dann Scott die Geschichte am Rande aber auch für einen gesellschaftspolitischen Kommentar und erteilt den Firmenbossen, die alt gediente Mitarbeiter in den Vorruhestand schicken, eine Absage.