Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 11. Jul 2019 · Film

Unsere große kleine Farm

Ein Film wie aus einer Disney-Produktion: Schweine haben Namen und jedes Tier ist eine Persönlichkeit. Die Geschichte von einem Paar aus Kalifornien, das Brachland über mehrere Jahre in eine ökologische Farm verwandelt und sich dabei selbst gefilmt hat, unterhält, bietet aber keine fundierten Infos.

Wenn es in „Unsere große kleine Farm“ um Gründüngung geht, braucht sich das Publikum keine Sorgen machen, dass ihm nun Leguminosen, Luzerne und andere Gewächse für die Stickstoffdüngung akademisch erklärt werden. Walt Disney hätte so etwas viel zu langweilig gefunden, und dieser Film wirkt ganz so, als wäre er aus dessen Produktion. Wenn ein Aussteigerpaar mit wenig Erfahrung und viel Optimismus ödes Brachland in Kalifornien aufkauft, um daraus über Jahre einen ökologisch funktionierenden Bauernhof aufzuziehen, dann klingt das erst einmal nach Wissensproduktion: Wie macht man so etwas? Genau das wird man in „The Biggest Little Farm“ (Originaltitel) freilich nicht erfahren. In dieser ganz auf Unterhaltung getrimmten Erzählung, die einen durch keinerlei tiefergehende Erkenntnisse belastet, fehlt so ziemlich alles, was man in einem europäischen Dokumentarfilm vorfinden würde. Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft, Klimawandel, Pestizid-Problematik. Molly und John Chester, die Neo-Farmer, die sich über mehrere Jahre bei ihrer Arbeit selbst gefilmt haben (bzw. offenbar von vielen Freiwilligen gekonnt ins Bild gesetzt wurden), erzählen stattdessen von Stimmungen: Von der Euphorie, wenn die neu gesetzten Obstbäume erste Früchte tragen, wenn aus Küken wunderschöne Hennen werden, wenn die steinharten Erdbrocken in Humus verwandelt wurden. Zeichnungen aus dem Scrapbook bestätigen das. Emotion ist quasi der Humus dieses Films, der Zuseher lebt mit, wenn ein Schaf geboren wird, oder ist betroffen, wenn Kojoten in der Nacht einen Haufen Hühner getötet haben. Schweine haben hier noch Namen, Emma zum Beispiel, und sie können unglaubliche Mengen an Ferkeln gebären und danach sterbenskrank werden. Das Farmleben als Party, zwischen Jubel und Bangen, ein typisch US-amerikanischer Zugang.

Mit den Kreisläufen der Natur

Es gibt aber noch eine andere Seite dieses Films, der ein Paradebeispiel dafür ist, wie Grenzen zwischen Dokumentar- und Spielfilm zerfließen. Molly und John haben ein Credo, das sie klar durch den Film formulieren: natürlich zu bleiben. Das, was konventionelle Landwirtschaft von der biologischen unterscheidet, ist, dass die erste verlernt hat, sich als Teil der Kreisläufe der Natur zu verstehen. Und damit eine Menge Probleme angehäuft hat. „Unsere kleine große Farm“ bewegt sich geschickt entlang der Trial-and-Error-Methode der zwei Farmer. Angeleitet von Alan, einem Öko-Experten, behält man im Film den Fokus, dass Bauernhof und Wildnis gleichsam Bündnispartner sein müssen. Was das bedeutet, belegen mehrere rhythmisch einmontierte Episoden: Erdhörnchen, die die Ernte fressen, werden zuerst von überforderten Farmhands gejagt, später von Schleiereulen. 87 von ihnen haben am Ende 15.000 ebenfalls gefräßige Erdhörnchen vertilgt. Oder Enten: Sie schnattern brav in ihren Grünbereichen und Tümpeln, während andernorts der Salat von Schnecken verköstigt wird. Ganz im Sinn von Permakultur bieten auch hier Kreisläufe statt Gifte die Lösung. Schon bald machen sich die Enten in den Feldern über die Schnecken her. Aus dieser Perspektive wirkt die Erzählung reichhaltig, weil verlorene Techniken ganz praktisch getestet werden. In den USA dürfte „Unsere kleine große Farm“ ziemlich exotisch wirken. Dass innerhalb weniger Jahre ein 80-Hektar-Betrieb trotz Feuerbrünsten, Dürren, Stürmen und Krankheiten letztlich auch ökonomisch zum Erfolg findet, dürfte aber auch an Finanziers mit langem Atem und einem Haufen von Freiwilligen (Wwoofers?) liegen. Darüber erfährt man, so wie über einige andere Hintergründe, aber nichts. So ist das in Hollywood, ein Blick hinter die Kulissen wäre spannend, ist aber nicht Teil der Inszenierung.