Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 25. Jän 2018 · Film

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Ein Rachethriller über eine entfesselte Mutter (eisenhart: Frances McDormand), die nach dem Tod ihrer Tochter eine ganze Kleinstadt vor sich hertreibt. Jede Pointe sitzt, "Three Billboards" funktioniert wie ein gut geschmiertes Uhrwerk. Über die Gesellschaft erfährt man in diesem Film allerdings weniger, die Grotesken überlagern den Blick.

Im Sterben vergewaltigt und danach verbrannt, es braucht ein monströses Verbrechen, um einen Rachethriller in Gang zu bringen. An der alten Landstraße, die niemand mehr befährt, seit es den Highway gibt, geschieht diese Tat. Und weil der Sheriff den Mord an ihrer Tochter auch nach Monaten nicht aufgeklärt hat, wird Mildred Hayes (Frances McDormand) nun selbst aktiv. Bald treibt sie die Kleinstadt vor sich her, schonungslos zu sich und den anderen. Das Publikum hat dabei kaum eine freie Minute.

„Three Billboards“ erwächst aus einer im Stakkato wechselnden Mischung aus Gewalt und Witz, Harmlosigkeit und Dummheit. Diese Tonart würde an Tarantino erinnern, wäre da nicht McDonaghs beißender britischer Humor, der sich aber, just in die USA verpflanzt, dort nicht wirklich passend anfühlt. Die Einwohner der fiktiven Kleinstadt Ebbing werden genötigt so zu sprechen, als wären sie englische Linguisten. Sarkastisch arbeiten sie sich an den Feinheiten der Sprache ab und packen zugleich ihre ganze Wut und ihre Verachtung hinein. Mitleid empfindet hier niemand mehr, außer mit sich selbst, also poltert es gewaltig, wenn die anderen draufzahlen sollen. Jeder hält sich am anderen schadlos, ob der rassistische Polizist (Sam Rockwell) mit dem infantilen Mutterkomplex, der gerissene Vermieter der Werbetafeln, der kleinwüchsige Mann, der einen Sex-Deal vorschlägt, Mildreds Ex-Mann, der einfach zuschlägt, oder Mildred selbst, die lieber die Polizeistation abfackelt, als vernünftig mit sich reden zu lassen. „Three Billboards“ erscheint als verquere Spielart eines Revenge Movie, in dem Charles Bronson durch eine nicht minder gefühllos (gewordene) Frances McDormand ersetzt wird, die solange nach Vergeltung ruft, bis alle so erschöpft und leer sind wie sie selbst. Autor und Regisseur McDonagh („7 Psychopaths“) erweist sich einmal mehr als Spezialist für obskure Figuren, doch die Frage, wohin deren effekthafte Wendungen eigentlich führen sollen, und worauf die Bresche, die dieser Orkan hinterlässt, den Blick freigibt, das alles lässt einen etwas ratlos zurück. Insofern erinnert „Three Billboards“ an die Coen-Brüder und deren mit Vorliebe nach innen orientierte Dramaturgien, die vor allem auf Selbstspiegelung ausgerichtet sind. Womit auch die stets prägnante Frances McDormand nicht zufällig in dieser Geschichte gelandet ist. In einer Szene wird ihr unabsichtlich Blut ins Gesicht gespuckt, das vom todkranken Sheriff Bill Willoughby (Woody Harrelson) stammt. Nach einem kurzen Moment der Betroffenheit, den das Publikum mit den beiden teilt, und in dem der Film ebenso kurz aus dem Rahmen zu fallen scheint, verfallen Mildred Hayes und Sheriff Willoughby sogleich wieder in die zynischen Redeweisen dieser Stadt. Bevölkert von einer Konstellation bizarrer Figuren, die keinerlei Angst vor Verlusten hegen, wird die Aufklärung des Falles bald zur Nebensache. Was bleibt sind hervorragende Schauspieler, ein Drehbuch, das alles richtig macht und mit jeder Pointe ins Schwarze trifft und ergo ein Film wie ein Spiegelkabinett, in dem die Realität nur verzerrt zu sehen ist.