Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 07. Okt 2022 · Film

The Woman King

Viola Davis überrascht in "The Woman King" als Kriegerin des afrikanischen Königsreichs der Dahomey, das noch im 19. Jahrhundert von einer Armee von Frauen beschützt wurde. Neben viel Spektakel interessiert der Film durch seine Gender-Perspektive und als rarer Hollywood-Beitrag zu Black History.

Swoosh - saust das Schwert durch die Luft und hackt in den Körper des Gegners. Wie in US-amerikanischen Action- und Abenteuerformaten üblich, suggeriert der fette Sound mehr als das Auge sieht. Die erste Szene von "The Woman King" zeigt, wo es lang geht: Eine Gruppe weiblicher Kriegerinnen, angeführt von Generalin Nanisca (verblüffend: Viola David) überfällt ein Dorf um dort Gefangene zu befreien. Die gefangenen Frauen, Kinder und Männer sollen schon bald in der Hafenstadt als Sklaven an die Europäer verkauft werden. Die martialisch inszenierten Kriegerinnen der Dahomey verhindern das und ziehen glorreich zu ihrem König zurück. Dort senken die Dorfbewohner die Augen, niemand darf die Mitglieder des Königshofes, die hinter den Pallisaden abgetrennt leben, ansehen. Und schon ist man mitten in einer Geschichte, die in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert ist. "The Woman King" ist ein rarer Beitrag Hollywoods zu Black History und widmet sich dem Königreich der Dahomey, das bis etwa 1900 auf dem heutigen Gebiet des Benin bestand. Der Film spielt noch zur präkolonialen Zeit Anfang des 19. Jahrhunderts und streift mehrfach die Problematik der Sklaverei: Völker verkauften ihre Kriegsgefangenen damals als Sklaven an die Europäer. Im Film (Drehbuch: Maria Bello) möchte Generalin Nanisca das nicht länger hinnehmen und fordert den König auf, die Einnahmen fortan durch Agrarprodukte wie Palmöl (!) zu erwirtschaften. Wesentlich stärker interessiert sich der Film jedoch für Genderfragen: Das gesamte Geschehen ist konsequent aus der Perspektive von Frauen erzählt. Man folgt einer Gruppe Schwarzer Amazonen auf ihrem Leben zwischen dem Training am königlichen Hof und dem Kampf, bei dem sie ihre Gegner erfolgreich aufmischen, Im Mittelpunkt steht dabei die junge Nawi (Thuso Mbedu), die sich vom Vater nicht an einen gewalttätigen Mann verkaufen lassen wollte und nun zur Kämpferin ausgebildet wird. 

Regisseurin Gina Prince-Blythewood inszeniert die 50 Millionen Dollar teure Produktion mit gewohnt lockerer Hand. Flotte Sprüche ("Wir lernen hier nicht kochen", heißt die Parole im Kampftraining), wuchtige Kampfchoreografien, komödiantische Einschläge und trotz historischer Kulisse eine sehr poppige Kostümwahl lassen keinerlei Langeweile entstehen. Selten war Afrika im Kino so US-amerikanisch wie in diesem Film. Mit Lashana Lynch, die man etwa aus Marvel-Verfilmungen oder dem letzten James Bond Film kennt, ist neben Davis ein weiterer Publikumsliebling zu sehen. Prince-Blythewood gelingt es dabei, Actionelemente mit ernsthaften Themen zu verbinden, die den Film deutlich von kampfbetonten Dramaturgien absetzen. Vieles davon fließt in die Handlung ein, sei es die fehlende Gleichstellung weiblicher und männlicher Krieger, die anders als die Frauen eine Familie gründen dürfen; sei es Vergewaltigung als Kriegsmittel, Traumatisierung oder auch die Frage der Entwurzelung durch den Sklavenhandel. Platz ist auch für Romantik, wenn die junge Nawi auf einen jungen Mann aus Portugal trifft, der mit den Sklavenhändlern mitgereist ist. Er erzählt, dass seine Mutter selbst als Sklavin verkauft wurde und ihn nun hierhergeschickt habe, um sich selbst zu finden. Das alles hört sich nicht nur nach sehr zeitgemäßen Kommentaren an, sondern trug als Beitrag zu Debatten wie Black Lives Matter in den USA wohl auch zum guten Kinostart dort bei. Anders als das Fantasy-Spektakel "Black Panther" wirkt "The Woman King" tatsächlich gut geerdet.