Neu in den Kinos: "Die Unschuld" (Foto: Wild Bunch Germany/Plaion Pictures)
Gunnar Landsgesell · 18. Aug 2017 · Film

The Promise - Die Erinnerung bleibt

Die Liebe hat in diesen Zeiten keine Chance: Der Völkermord an den Armeniern während des Zusammenbruchs des Osmanischen Reichs wird zur alles bestimmenden Kraft dieses Historiendramas. Mittendrin Christian Bale als wagemutiger Kriegsreporter. Regisseur Terry George verknüpft einigermaßen geschickt, die offenkundig politische Agenda dieses Films mit romantischen Episoden und harschem Familiendrama.

Wenn Mikael (Oscar Isaac), der Apotheker aus dem armenischen Bergdorf Siroun, auf sein Pferd steigt, um nach Istanbul zu reiten, um Medizin zu studieren, liegt bereits dem ersten Bild dieses Films etwas Tragendes zugrunde, ein verfrühter Ernst. Als ob alles in dieser Geschichte auf die Katastrophe zusteuern muss, so findet der Zuseher von Anbeginn nicht aus dem langen Schatten dieser Erzählung. „The Promise – Die Erinnerung bleibt“ hat sich der Vermittlung eines Stücks Zeitgeschichte verschrieben, das nach Gerechtigkeit schreit. Der Völkermord, den das Osmanische Reich im Ersten Weltkrieg an den Armeniern begangen hat, ist gleichsam nicht die Folie für dieses zwischen Familiendrama und Romantik changierenden Historienfilms, sondern dessen ureigenster Sinn und Zweck. Ungewöhnlich genug für ein teils US-finanziertes Projekt, das mit 90 Millionen Dollar seine politischen Intentionen derart in den Vordergrund stellt. Das mag auch an der Person des zwischenzeitlich verstorbenen Milliardärs Kirk Kerkorian liegen: ein Medienmogul mit armenischen Wurzeln, dem dieser Film eine Herzensangelegenheit war. Die Türkei weigert sich bekanntlich, den Genozid an den Armeniern als solchen anzuerkennen. Mit Regisseur Terry George („Hotel Ruanda“, „Im Namen des Vaters“) und Hollywood-Stars wie Christian Bale und Oscar Isaac hat Kerkorian gewichtige Mitstreiter gefunden.

Ethnischer Zusammenhalt


Und auch wenn „The Promise“ den Geist der Zeit dieses Osmanischen Historiendramas sehr bedächtig atmet und man geradezu erwartet, dass Omar Sharif gleich um eine Ecke biegt, versteht Regisseur George, wie man ein großes, politisch und emotional besetztes Thema mit einer Familiengeschichte und romantischen Episoden zu verbinden vermag. Mikael ist in seiner armenischen Heimat längst mit einer Frau verlobt, als er in Istanbul frische Gefühle gegenüber Ana (Charlotte LeBon) verspürt, die als Tanzlehrerin seiner kleinen Cousinen arbeitet. Mit dem Ausbruch der Pogrome gegenüber den Armeniern bleibt für derlei Abenteuer freilich kein Platz und Mikael besinnt sich alsbald seiner armenischen Loyalitäten. Es wirkt nicht wie ein Zufall, dass „The Promise“ auch biblische Töne bemüht. Etwa, wenn die Bilder einer Vertreibung (eine endlose Menschenschlange erstreckt sich in die Weite einer Landschaft) mit den Chorälen einer Kirche vermengt werden. Fackeln tauchen auf, Einrichtung wird zerstört, es hallt „Turkiye, Turkiye“ durch die Straßen. Die trügerische Beschaulichkeit, mit der Terry George seinen Film begonnen hat, bricht nun in offene Gewalt um, das Geschehen steigert sich zu teils höllischen Torturen in einem Arbeitslager. Für die Armenier bricht eine ganze Welt zusammen. Mikael und Ana, das geheime Liebespaar, werden in den Kriegswirren auf ihre ökonomische Funktion als Retter und Widerstandsgeister reduziert. Ganz offenkundig spielt Georges Inszenierung aber auch auf die schrittweise Entrechtung von Bürgern an, wie wir sie aus dem Dritten Reich kennen. „The Promise“ begnügt sich nicht nur damit, ein düsteres Geschichtskapitel in zunehmend nachtschwarzen Bildern zu entladen, sondern versteht sich auch als Lektion in einem humanistischen Sinn: Sind die nationalistischen Kräfte in einem Staat entfesselt, entlädt sich der Furor gegen Minderheiten und andere ungeschützte Gesellschaftsteile. Mittendrin: Christian Bale als Kriegsreporter und Mann der Presse, der als letzte Verbindung zur Welt die Gräuel dokumentiert. Ein ambitionierter Film, zweifellos. Dass die Liebe von Isaac und LeBon der Arithmetik eines Volkes, das gegen den Untergang kämpft, zurückweichen muss, ist dabei nur eine der strategischen Nahtstellen, die dieser Stoff ganz selbstverständlich einfordert.