Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 12. Apr 2012 · Film

The Grey - Unter Wölfen

Wolfsjagd einmal anders – Eine Gruppe von Ölarbeitern stürzt in Alaska ab und wird von Wölfen in eine tödliche Hetzjagd verwickelt. Alle Hoffnungen ruhen schließlich auf Liam Neeson, einem erfahrenen Wolfsjäger, der die Männer aus einer erbarmungslosen Natur vor dem Tod retten soll.

 

Es ist ein Gemetzel, das „The Grey“ Mann für Mann an seiner Besetzung durchspielt. Und, ohne vorab zu viel zu verraten, all zu viele kommen dabei nicht davon. Obwohl die Konstellation Mensch gegen Natur ein uralter filmischer Topos ist, gewinnt die Inszenierung dem dennoch einige überraschende Facetten ab. Anstatt eines straighten Abenteuers, das die landschaftlichen Vorzüge Alaskas auszuspielen weiß, taucht „The Grey“ sein Männergrüppchen im Überlebenskampf mehrfach in spirituelle Anklänge. Die Natur verschwimmt in einer Art Zwischenreich von Leben und Tod zu einer grauweißen Fläche, und auch das Bewusstsein dieser unfreiwilligen Abenteurer, die im Flugzeug noch große Sprüche klopften, trübt sich zunehmend ein. In einem eher aussichtslosen Moment wird schließlich selbst Gott von Neeson wütend angerufen, er solle doch ein Wunder geschehen lassen. Das ist nicht abstrakt gemeint, der Mann fordert es „here and now“. Dass daraufhin gar nichts passiert, ist natürlich klar. Momente wie diese bieten sich vielmehr an, die Maskulinität bei all ihrer Abfeierung auch einmal in Zweifel zu ziehen. Sentimentalitäten ist „Into the Grey“ ohnehin nicht abhold. Immer wieder spielen Flashbacks Neeson als Buben ein, wie er am Schoß seines Vaters sitzt und in etwas zu schmalzig geratenen Bildern das väterliche Gedicht liest. „Into the Fray“, lautet der Titel, also, In das Gemetzel, womit die Lyrik des Vaters sich dann auch geradezu schicksalhaft im Leben des Sohnes einlöst. Regisseur Joe Carnahan, ein Spezialist für gefällige Action wie „Das A-Team“ oder „Smokin’ Aces“, schreckt vor Pathos also nicht zurück. Das produziert zwar keinen narrativen Mehrwert, soll die altbekannte Formel der Gruppe von Überlebenden in feindlicher Umgebung aber mit etwas Menschlichkeit aufpeppen.

Alpha-Männchen unter sich

Der ganze Todesreigen in dieser Wildnis geht im Übrigen von Wölfen aus, die als eine Art Rachegötter auftreten. Schon der Beginn des Films kündet von dessen quasi-religiöser Note: Der in seiner Rolle durchwegs verdienstvolle Liam Neeson ist gerade dabei, sich, verzweifelt über ein Ereignis mit seiner Frau, das Leben nehmen, als er im Klang einsetzenden Wolfsgeheuls den Flintenlauf wieder aus dem Mund zieht. Es scheint so, als würden sich die Tiere, die der Mann früher offenbar im Auftrag von Firmen abgeschossen hat, selbst das Leben ihres Erzfeindes holen wollen. Diesem Ruf der Wölfe folgt Neeson auch. Auf exzellentes Spannungskino legt „The Grey“ dabei nicht unbedingt wert. Trotz einiger blutiger Einlagen vermittelt der Film in seinem zähen Ringen um das Überleben fast schon ein Gefühl von Realismus, vergleicht man etwa sein gemäßigtes Zeitmanagement oder seine trockene Ästhetik mit anderen Genre-Arbeiten. Für die Wölfe selbst gilt das nicht, sie nehmen sich ziemlich Gothic aus und setzen die spirituellen Anklänge des Films auf einer Fantasy-Ebene fort. Angeführt wird das Rudel von einem – wissenschaftlich längst widerlegten – Alpha-Tier, das sich als ziemlich großes und ziemlich böses Zottelmonster entpuppt. Und man ahnt schon, es wird nicht ruhen, bis es zum finalen Duell der Alpha-Männchen dieser Geschichte gekommen ist.