Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 13. Sep 2012 · Film

The Bourne Legacy

Teil 4 des finanziell erfolgreichen Bourne-Franchises bietet auch ohne Jason Bourne und Matt Damon einen Helden, der die ihm angezüchteten Fähigkeiten gegen eine mörderische CIA benutzt. Das ist zuweilen spannend, und mit Jeremy Renner in der Hauptrolle, nunmehr auch menschlich.

Ein Wolf muss dran glauben. Ihm wird vom flüchtigen CIA-Agenten Aaron Cross (Jeremy Renner) irgendwo im verschneiten Alaska der Peilsender ins Maul geschoben, den sich Cross kurz zuvor selbst aus dem Leib geschnitten hat. Dann nimmt die intelligente Rakete Kurs auf das Tier, das restliche Rudel wurde bereits in die Flucht geschlagen.

Eher von Wölfen (im Hobbes’schen Sinn) als der spezifischen Intelligenz von Agenten handelt die vierte Ausgabe des Bourne-Zyklus. Galt es bislang für den Protagonisten Jason Bourne (mit Matt Damon ist dem Sequel auch sein Protagonist abhanden gekommen) nach seiner Amnesie die Frage zu klären, wer er eigentlich ist, nur um der unsympathischen Antwort: „Eine Killermaschine aus einem geheimen CIA-Programm“ näher kommen zu müssen, nimmt sich „The Bourne Legacy“ als wilde Jagd nach Gehirn- und Muskel-Dope aus. Die CIA lässt nun Agenten bunte Pillen einwerfen, um deren Fähigkeiten ins Übermenschliche zu steigern, während ein gänzlich unmoralischer Edward Norton als Leiter des Programms aus einem unerheblichen Grund die Operation abbricht und stattdessen die Liquidierung sämtlicher Beteiligter anweist. Damit ist auch der Plot des Films verraten: Jeremy Renner, in Bigelows famosen Entmienungsthriller „The Hurt Locker“ als Mann mit stählernen Nerven bekannt geworden, arbeitet sich auf seiner Flucht umso entschlossener an die Quelle der Superkraft-Pillen heran, je intensiver ihm die CIA auf den Leib rückt. Das ergibt, rund um Norton, sinistren Insider-Talk im Situation Room der Geheimdienstzentrale in Langley, die das globale Sterben von dort aus per Monitoren konspirativ zu steuern scheint, und eine Welt der unwahrscheinlichen Stunts und anderer kinetischer Wunder – das längste dauert gegen Ende des Films eine gefühlte halbe Stunde und hat die Form einer Verfolgungsjagd über die Dächer der Shanty Towns Manilas und endloser Motorradfahrten angenommen. Mit Rachel Weisz als Mitglied des Ärzteteams, das das Pillenprogramm entwickelt hat, findet sich gegen Mitte des Films zudem auch eine Partnerin (statt Franka Potente), die zu beschützen im Bond-verwandten Action-Fach nie falsch sein kann.

Genmanipulation als Waffe

Tony Gilroy, er verfasste das Drehbuch der ersten drei Filme und übernahm nun auch die Regie, war ursprünglich angetreten, um einen in seinen Möglichkeiten realistischeren Agententypus klassischen Zuschnitts zu entwickeln. Diese Idee konnte er offenbar erst unter eigener Regie klarer formulieren. In Renner findet er einen Darsteller, dessen durchschnittliche Erscheinung auch bei heroischen Taten wie jener eingangs beschriebenen noch etwas an Bodenständigkeit lässt. Er ist der Bursche von nebenan, dessen Gene durch die Powerpille eben nur vorübergehend aufgepeppt wurden. Ohne sie, ein guter Witz, würde Agent Cross wieder in seine alte Mittelmäßigkeit abstürzen. Das kleine Köfferchen, in dem er die Tabletten ebenso wie ärztliche Behelfsmittel mit sich führt, weisen ihn geradezu als Blut-Doper aus, wie er überall im Sport schwer geächtet ist. Moral ist in diesem Film allerdings keine Kategorie, auch wenn mit der CIA-Zelle rund um Edward Norton die Diskussion des „war on terror“, der alle Mittel rechtfertigt, schon angerichtet wäre. So gesehen bleibt „Bourne Legacy“ trotz hoher Mortalität und anfänglich verwirrender Details eine recht bescheidene Angelegenheit. Es ist wieder einmal der (US)-Staat bzw. dessen Sicherheitsapparat, dem nicht getraut werden kann. Und es kommt auf den Einzelnen an, sich gegen diese unsichtbare Bedrohung aufzulehnen. Dass der Feind zwar innen, aber nicht als „sleeper“ sondern als langer Arm des Weißen Hauses fungiert, daraus macht Gilroy nicht viel. Damit ist es fast schon wieder egal, ob Renner nun seiner genetischen Überlegenheit oder Damon seiner wirklichen Identität nachhetzt. Auf der Flucht sind sie beide. Mit einer Szene durchbricht Gilroy im Bourne-Vermächtnis allerdings doch den Rhythmus der bisherigen Filme: Wenn im abgeschlossenen Laborraum ein Arzt beginnt, einen Kollegen nach dem anderen mit seiner Waffe zu erschießen, dann hat die Stille, die sich zwischen diesen Schüssen und den verzweifelten Versuchen, sich unter Schreibtischen zu verschanzen, etwas beängstigendes aus der Wirklichkeit herübergeholt.