Neu in den Kinos: „The Room Next Door“ (Foto: Warner)
Gunnar Landsgesell · 01. Dez 2016 · Film

Sully

Als Chesley Sullenberger ein Passagierflugzeug im eisigen Wasser des Hudson River notlandete und damit allen Menschen das Leben rettete, wurde der Pilot zum Helden in den USA. Clint Eastwood rekapituliert die Ereignisse rundherum, in der Titelrolle Tom Hanks, der gehörig unter Druck gerät.

Clint Eastwood wirkt zuweilen schon ein bisschen aus der Zeit. Das dürfte aber eher nicht an seinen bald 87 Jahren liegen, sondern an seinen ganz spezifischen Vorstellungen von Männlichkeit, die er für sich wohl „herübergerettet“ hat. Über die „pussy generation“ von heute kann Eastwood jedenfalls nur lachen. „Sully“ handelt von jenem unerschrockenen Piloten, der im eisigen Jänner 2009 am Hudson River notlandete und 155 Passagieren das Leben rettete. Wieder findet sich so ein Mann, der bei Eastwood ohne Superman-Kostüm überlebensgroß wird. Ein Held der alten Schule, einer, der keine Zaubertricks braucht, um etwas zu bewegen. So wie in „Gran Torino“ der unverbesserliche Chauvinist und Korea-Kriegsveteran, der am Ende für seine asiatischen Nachbarn sein Leben gibt, weil er in ihnen würdige neue Staatsbürger sieht. Oder wie Nelson Mandela, den Eastwood in seinem Film als Mann versteht, der persönliche Rache zugunsten einer größeren Idee zurückstellt.

Unrecht als Motor

Als gänzlich unprätentiöse Heldenfigur begegnet einem in „Sully“ auch Tom Hanks, mit schlohweißen Haaren und – trotz innerer Kämpfe – ein souveräner Akteur. Diesem Chesley Sullenberger gilt auch Eastwoods eigentliches Interesse. „Sully“ ist kein Katastrophenfilm, sondern überrascht mit einem Realismus, der sich in genauen Beschreibungen und einer Wasserlandung äußert, bei der bereits der nackte Kamerablick auf das einsickernde Wasser einen Sinn für Bedrohung erzeugt. Im Unrecht, das Sully widerfährt, weiß Eastwood den Zuseher zu fesseln. Zu Beginn des Films muss sich Sullenberger wie in einem Kreuzverhör verteidigen. Hätte der Pilot das Flugzeug nicht eigentlich noch zum Flughafen zurückfliegen müssen, war er vielleicht betrunken oder durch Stress in der Familie nicht zur richtigen Entscheidung in der Lage? Eastwood versteht es, aus der Spannung zwischen Behörden und Versicherungsgesellschaften einerseits und diesem schlicht und präzise agierenden Mann, der wahre Verantwortung gezeigt hat, viel dramaturgisches Kapital zu schlagen. Hier wird jemandem ans Bein gepinkelt, dem man eigentlich danken sollte. „Sully“ lebt zugleich vom Subtext eines wachsenden Widerstreits zwischen „dem Volk“ und dem Establishment, einer interessanten Konstellation, die zuletzt bei den US-Wahlen für unerwartete Dynamiken sorgte. „Sully“ spielt aber keineswegs mit Ressentiments, sondern reiht sich eher in eine Heldenmythologie des einfachen Mannes, wie sie Kurt Russell und Mark Wahlberg derzeit in „Deepwater Horizon“ verkörpern. Während Eastwood auf das befremdliche Nationalpathos aus seinem letzten Film „American Sniper“ verzichtet, findet Tom Hanks wie bereits in Paul Greengrass’ Entführungsthriller „Captain Phillips“ (2013) wieder Gelegenheit, den no-nonsense-Ansatz eines Films mit einer konzentrierten Performance zu bereichern.