"Un métier sérieux - Ein richtig guter Job" in der Kinothek Lustenau (Foto: Filmcoopi Zürich)
Walter Gasperi · 01. Dez 2016 · Film

Aktuell in den Filmclubs (2.12. - 8.12. 2016)

Das Filmforum Bregenz zeigt diese Woche den österreichischen Psychothriller "Mein Fleisch und Blut". Im Andelsbucher Gasthof Jöslar wird im Rahmen des Gaumenkinos nach einem dreigängigen Menü (Reservierung erforderlich) Maria Schraders "Vor der Morgenröte" gezeigt, den Österreich heuer für die Oscars einreichte.

Mein Fleisch und Blut: Ein glückliches Leben könnten Martin (Andreas Kiendl) und Katharina (Ursula Strauss) mit ihrem Adoptivsohn Tobias (Nikolai Klinkosch) in ihrem Haus am Stadtrand von Wien führen, doch schwer lastet Martins Burnout und Tobias Autismus auf der Kleinfamilie. Willkommene Veränderung bringen so neue Nachbarn und die junge Nicole (Lili Epply) versteht sich auch so gut mit Tobias, dass er sichtlich aufblüht. So könnte es weitergehen, doch zunehmend stößt Martin bei dem Pärchen auf Widersprüche und Lügen.
Mehr sollte über die Handlung von Michael Ramsauers „Mein Fleisch und Blut“ nicht verraten werden, denn aus den Überraschungen und Wendungen, mit denen der gebürtige Bayer aufwartet, bezieht dieser Psychothriller seine Spannung. Lässt sich Ramsauer zunächst Zeit für die Schilderung des Beziehungsgefüges und den Zuschauer in seinen Sympathien schwanken, so treibt er anschließend die Handlung zügig voran. Sicher führt der 44-Jährige, der an der Wiener Filmakademie Kamera und Regie studierte, dank seines sorgfältig aufgebauten Drehbuchs die einzelnen Teile zusammen, bringt vier Morde ins Spiel, ohne dass man auch nur einen sehen müsste, und lässt den psychologischen Thrill im Finale schließlich in physische Gewalt kippen.
Das Genre erfindet Ramsauer mit seinem Langfilmdebüt zwar nicht neu, spielt aber zweifellos sehr gekonnt auf dessen Klaviatur. Knapp sich die Dialoge, präzis die Bildsprache. Auf Nebenfiguren wird verzichtet, ganz auf der Familie und dem Pärchen liegt der Fokus, sodass die Charaktere auch dank starker Schauspieler differenziert ausgelotet werden können. Bestechend ambivalent ist vor allem Martin gezeichnet, aus dessen Perspektive weitgehend erzählt wird.
Da dringt „Mein Fleisch und Blut schließlich auch in familiäre Abgründe vor, macht deutlich, welch prägende Wirkung die Kindheit hat und lässt die Täter weniger als Verbrecher als vielmehr als bedauernswerte und tragische Opfer der Erziehung durch ihre Eltern erscheinen.
Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Sa 3.12., 22 Uhr


Vor der Morgenröte:
In vier Episoden plus Pro- und Epilog blickt Maria Schrader auf Stefan Zweigs Leben im Exil. Auf ein Bankett 1936 im Jockeyclub des brasilianischen Petropolis, das mit einer mehrminütigen Plansequenz eingeleitet wird, folgt eine Pressekonferenz des Pen-Clubs in Buenos Aires, bei der der österreichische Schriftsteller kein Statement gegen Hitler abgeben will. Das zweite der vier Kapitel, die jeweils mit Inserts zu Zeit und Ort eingeleitet werden, spielt im brasilianischen Bahia, während das dritte Kapitel den Zuschauer in die enge Wohnung von Zweigs erster Frau in New York versetzt, in der über Engagement für Flüchtlinge diskutiert wird. Wieder nach Brasilien führt das vierte Kapitel, in dem die zunehmende Isolation und Depression des Schriftstellers spürbar wird, ehe im Epilog Polizisten den Schauplatz des Doppelselbstmordes des Schriftstellers und seiner Frau untersuchen.
Klug ist der Film in seiner Beschränkung auf wenige Szenen, im Verzicht auf Filmmusik. Nichts von anekdotischem Erzählen ist hier zu finden, sondern in der Reduktion und Konzentration auf wenige Szenen gewinnt „Vor der Morgenröte“ gerade seine Dichte. Visuell mag das nicht aufregend sein, mag teilweise in der Beschränkung auf wenige Räume theaterhaft wirken, ist aber ungemein präzise und in den Konfrontationen inhaltlich stark und tiefschürfend inszeniert.
Dass dieses Psychogramm packt liegt aber auch an seinem Hauptdarsteller. Großartig ist Josef Hader. Er spielt Zweig zurückhaltend, immer höflich – der vornehme gebildete Europäer, der nicht vorschnell ein Urteil fällt. – Man spürt aber auch sein Leiden am Exil, am Verlust der Heimat und die Begeisterung für Brasilien als Land der Zukunft, das aber nicht seine Heimat werden kann, weil er es nicht als solche empfindet, weil es ihm schon allein von der Sprache her immer fremd bleibt.
Gasthof Jöslar, Andelsbuch: So 4.12., 20 Uhr (18 Uhr: Gaumenkino: Dreigängiges Menü – Reservierung bis 2.12. unter Tel. 05512 2312 oder kontakt@joeslar.at