Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Gunnar Landsgesell · 31. Mai 2012 · Film

Snow White and the Huntsman

„Snow White and the Huntsman“ ist ein gelungener, wuchtiger Transfer des Märchens in das Fantasy Genre. Überraschend düster, mit einer Protagonistin ausgestattet, die in einer interessanten Interpretation die Agonie eines ganzen Königsreichs zu beenden vermag.

Die Zwerge sind wütend. Für den König würden sie sich den A... aufreißen, immer waren sie loyal. Aber bei ihnen hat er sich noch nie blicken lassen. Die Begegnung von Snow White mit den (acht) Zwergen ist einer der komischeren Momente. Sie hängen, ohne es zu wissen, ihre zukünftige Königin kopfüber an einen Baum, neben ihr den verbündeten Huntsman, und entrüsten sich. Rechtzeitig, bevor die Schergen der bösen Königin Ravenna (Charlize Theron) heranreiten, klärt sich der Irrtum doch noch auf.

Zu diesem Zeitpunkt eröffnet Snow White and the Huntsman erstmals seine märchenhaften Seite. Wie in John Boormans „Excalibur“, wo die Ritter der Artus-Runde daran scheitern, die erlösende Antwort des Grals zu finden (dabei ist sie so einfach: Der König und das Land sind eins.), um endlich das Dunkel und die Pestilenzen aus dem Reich zu vertreiben, lastet auch über dieser gelungenen Fantasy-Adaption von Grimms Schneewittchen eine Art Fluch, den es zu besiegen gibt. Eine Stunde lang geht es im Regiedebüt von Rupert Sanders ziemlich düster zu. Ravennas Armee des Bösen – die sich CGI-generiert aus schwarzem Vulkanglas (Obsidian) in Tausend Teile zerschlagen lässt und dennoch wieder zusammensetzt – ist dabei nur eine jener visuell beeindruckenden Kräfte, unter deren Einfluss sich das Geschehen verdunkelt. Theron, die hier erneut maskenhaft und mit krypto-feministischer Schlagseite ausgestattet wurde (sie ermordet ihren königlichen Gemahl als Rache der entrechteten Frauen; ein überdimensionierter Satz für eine nebensächliche Szene) und ihr ebenso blonder, gewissenloser Bruder bilden in dieser Gothic Fairytale einen ansprechenden Kontrast zum naseweisen „Twilight“-Star Kristen Stewart als Snow White. Dennoch stimmig: Jeder in diesem Film hat einen Verlust zu verzeichnen. Ob Jugend und Integrität (Ravenna), die Hoffnung (des alten Königs), Ehefrau und decent life (des Huntsman) oder vorübergehend schlicht eine Bestimmung (Snow White).

"Emotional Blockbuster"

Viel Raum wird den Spielarten des Bösen eingeräumt: Erst will ein verwunschener Wald, in dem die Bäume leben und der Sumpf einen rasch verschlingt, überwunden werden, um den Film in seine zweite Hälfte, eine lichtdurchflutete, saftig grüne Wunderwelt, die Heimat der Zwerge, übertreten zu lassen. Der Film fällt mit diesen beiden Teilen aber keineswegs auseinander, vielmehr setzen sich die dramatischen Kontraste von Gut und Böse, Licht und Schatten dieser Inszenierung bis in die Erzählstruktur fort. Mit beschaulichen Männchen haben die Zwerge schließlich wenig gemein. Visuell in kleinwüchsige Menschen verwandelt, tritt auch hier ein irritierender Naturalismus zu Tage, der dem Film zwischen seinen Effekten eine gewisse Ernsthaftigkeit bewahrt. Dazu trägt vor allem auch der sich zuspitzende Kampf der beiden Frauen bei: Es geht hier weniger um Schönheit als um Integrität. So wundert es nicht, dass Snow White selbst die Agonie des Reiches mit ihrer Willenskraft zerreißt und als Jeanne d’Arc in Ritterrüstung die Armee ihres Vaters zum finalen Gefecht anführt.

Regisseur Rupert Sanders spricht über seinen Film als „emotional blockbuster“ und meint damit, dass er kein Interesse hatte, Standards des Märchen- oder Fantasygenres noch einmal wiederzukäuen. Das ist gelungen. Spinnennetze als leere Verweise auf das Böse sind in dieser klug ausgedachten Choreographie nicht zu finden. Bilder wie das Milchbad, aus dem Theron weiß wie Marmor auftaucht, oder Snow Whites gefinkelte Flucht durch die Kloake des Schlosses, prägen sich dagegen ein. Auch wenn die Intensität des Spiels von Theron, Stewart und Chris Hemsworth als Huntsman mit der Wucht der Inszenierung nicht mithalten können, und auch das Drehbuch selbst (Ko-Autor John Lee Hancock, er schrieb u.a. Eastwoods „Perfect World“) streckenweise simpel gehalten ist, erweist sich die jüngste Grimm-Verfilmung als geschlossenere, spannendere Erzählung als viele in die Beliebigkeit ausfransende Filme des Fantasygenres. Übrigens: Falls möglich, auf Original ansehen. Das Spektakel, großteils in Irland und Schottland und in den Pinewood Studios gedreht, gewinnt nicht zuletzt durch die alte britische Sprache an Reiz.