„Kaffee und Zucker?“ Dokumentartheater im TAK in Liechtenstein © Pablo Hassmann
Gunnar Landsgesell · 31. Okt 2019 · Film

Scary Stories to Tell in the Dark

Passend zur Nacht der ausgehöhlten Kürbisgesichter liefert "Scary Stories" einen im besten Sinn altmodischen Gruselfilm, in dem 1968 in einer US-Kleinstadt ein unheimliches Buch einer Gruppe von Jugendlichen zusetzt. Visuell interessant, aber psychologisch zu wenig geerdet.

Wer erinnert sich noch an die Comics-Hefte „Gespenster Geschichten“, die immer mit dem Satz endeten: „Seltsam. Aber so steht es geschrieben.“? Nicht übermäßig blutige Kurzgeschichten, aber doch verstörend, wenigstens für alle Leser im Schulalter. So ungefähr darf man sich auch „Scary Stories to Tell in the Dark“, produziert von Guillermo del Toro, vorstellen. Passend zu Halloween (der Nacht vor Allerheiligen), bei dem mit ausgehöhlten Kürbisgesichtern in Irland und den USA an die Verstorbenen gedacht wird, startet hier kein Horror-, sondern ein Gruselfilm, der in einem durchaus guten Sinn altmodisch wirkt. Im Jahr 1968 gerät in einer Kleinstadt in den USA eine Gruppe Jugendlicher in den Bann eines Buches, das auf düstere Weise die Ereignisse zu bestimmen scheint. Ein Bursche nach dem anderen verschwindet und allen voran ist es Stella (Zoe Colletti), die dem Unheil auf die Spur kommen möchte. Der Dreh an „Scary Stories“ ist, dass hier ein Buch zur mysteriösen Kraft wird: Einmal geöffnet, beginnt es von unsichtbarer Hand geführt die leeren Seiten zu füllen. Für jeden der Freunde schreibt es ein Kapitel und scheint seinen Stoff direkt aus den Ängsten der Betroffenen zu beziehen. Mit diesem durchaus gewitzten dramaturgischen Ansatz verankert sich die Handlung in der Gegenwart, ohne in der Folge auf Geschichtsforschung zu verzichten.  

Old school horror
Der norwegische Regisseur André Øvredal, der zuletzt mit seinem übernatürlichen Horrorthriller “The Autopsy of Jane Doe” auffiel, versteht sich darauf, ein Stimmungsbild Ende der 1960er Jahre zu erzeugen: einerseits ein geordnetes Kleinstadtleben, in den Wohnzimmern finden sich Spieluhren, Mädchen tragen rosa Kleider, die Polizeibeamten legen das Gesetz nach Gutdünken aus, andererseits begleiten US-Präsident Nixon aus den Fernsehgeräten sowie die Proteste gegen Vietnam die Handlung. In der verschlafenen Kleinstadt Mill Valley scheint Widerstand gegen die Autoritäten fern. Nur einmal hört man eine Bewohnerin sagen: “Tricky Dicky, das ist kein Name für einen Präsidenten.“ Mit John August konnte man einen der versiertesten Drehbuchautoren für schräge Stoffe gewinnen, er arbeitet seit Jahren mit Tim Burton zusammen, zuletzt für die Disney-Produktion „Frankenweenie”. Das Drehbuch entstand auf Basis der Spukgeschichten des Kinderbuchautors Alvin Schwartz und des Zeichners Stephen Gammell. In der visuellen Adaption dieser Stories erkennt man auch Del Toros Handschrift, die Geister, die hier tief aus der Psyche der Menschen hervorgeholt werden, haben die Form von ausgezehrten Vogelscheuchen, von teiggesichtigen, wabernden Frauengestalten oder schleimigen Fantasiefiguren als reine Angstgebilde. Viel Konzept also hinter diesem Projekt, doch letztlich fehlt es an emotionalem Bezug zum Geschehen. Mit seinem episodischen Charakter bleibt „Scary Stories“ als „old school horror“ vor allem visuell interessant, während es nur teilweise gelingt, für seine umtriebige Hauptfigur Stella eine in sich geschlossene Handlungsebene zu finden. Die smarte Geisterjägerin hängt immer ein bisschen in der Luft.