Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast. (Foto: Matthias Horn)
Gunnar Landsgesell · 13. Dez 2019 · Film

Porträt einer jungen Frau in Flammen

Zwei Frauen begegnen sich Ende des 18. Jahrhunderts. Die eine soll die andere malen, ohne dass diese es merkt, um danach verheiratet zu werden. Dabei kommen sich die beiden Frauen näher. Regisseurin Céline Sciamma entwirft eine Studie des Begehrens, ein konzentriertes Drama, das vom Moment einer ungeahnten Freiheit erzählt.

Wie sieht der Versuch einer Abtreibung im 18. Jahrhundert aus? Etwa so, dass die Betroffene am Strand bis zur Erschöpfung zwischen zwei Frauen hin und her hetzt. Die Pariser Malerin Marianne (Noémie Marchant) sowie eine zweite junge Adelige, Héloïse (Adèle Haenel) treiben die unfreiwillig schwanger gewordene Dienstmagd Sophie dabei an. Der Versuch missglückt, und der nächste wird als physischer Eingriff in einem Bett stattfinden. Marianne malt sogar ein Gemälde davon und dokumentiert damit eine Abtreibung vor 200 Jahren für die Nachwelt.

Gemälde mit feministischem Blick

Kein Zweifel, „Porträt einer jungen Frau in Flammen“ ist ein starker politischer Entwurf, der mit den Konventionen von Kostümfilmen bricht. Im Fokus stehen zwei junge Frauen auf Augenhöhe: Héloïse, die von ihrer Mutter nach Mailand verheiratet werden soll, wofür sie aber porträtiert werden muss. Und Marianne, die dieses Porträt herstellen soll. Das Problem dabei: Héloïse möchte nicht verheiratet und damit auch nicht gemalt werden. Das doppelte Spiel von Marianne fliegt bald auf, doch schon sind sich die beiden Frauen trotz oder wegen dieser Widrigkeiten näher gekommen. Über mehrere Jahre hat die französische Regisseurin Céline Sciamma diesen Film vorbereitet. Nach ihrer gewitzten Tour mit einer Gruppe von Mädchen in den Vororten von Paris in „Bande de filles“ (2015) heißt es nun Introspektion: Sciamma findet nun zu einer äußerst konzentrierten Form, bei der man die konzeptionellen Ansätze spüren kann. Streckenweise im Halbdunkel der Repräsentationsräume eines Schlosses, bei Kerzenlicht, muten die intimen, fordernden Begegnungen wie von einem Gemälde genommen an. Draußen die herbe Landschaft der Bretagne, teilweise in Pastellfarben zwischen grünen Wiesen, Felsen und der Gischt des Meeres geworfen, ergibt sich daraus ein poetischer Blick, der aber nie ins Schwelgerische verfällt sondern die Spannung immer hoch hält. Sciammas Film ist auch der Versuch, den weiblichen Film, der in der Kunstgeschichte irgendwann ausgeblendet wurde, zu thematisieren. Wenn Kamerafrau Claire Mathon einer der zwei Protagonistinnen, Marianne, in einen großen, nachtschwarzen Raum folgt, dessen einzige Lichtquelle eine Feuerstelle an der Wand ist, zeichnet sich deren nackter Körper in einer Silhouette ab. Das Bild erinnert eher an 1968 als an eine Erzählung aus dem 18. Jahrhundert. Sciamma entleert die Räume, entleert den Kostümfilm von überkommenen Konventionen, entrümpelt ihn von gestelzten Dialogen, die sich in so vielen Filmen theatral und falsch anfühlen, weil ihr Zweck einzig der ist, den vermeintlichen Habitus einer bestimmten Epoche auszudrücken. Sciamma hingegen füllt die Räumlichkeiten schlicht mit der Präsenz ihrer Akteurinnen. Und sie beweist viel Vertrauen darin. „Betrachten Sie mich genau“, sagt Héloïse einmal zu Marianne. Das gilt auch für das Publikum. Dieser Film ist mit einem feinen Pinsel gemalt, Adèle Haenel (Sciammas ehemalige Lebensgefährtin) und Noémie Marchant erhalten dafür viel Platz, auch wenn die Wege ihrer Figuren schon vorherbestimmt sind.