Musiker:innen aus Südafrika und Kolumbien prägen den besonderen Charakter des Pforte Kammerorchesters Plus. (Foto: Aron Polcsik)
Gunnar Landsgesell · 27. Feb 2014 · Film

Philomena

Irische Pensionistin (Judi Dench) sucht 50 Jahre nachdem ihr Klosterschwestern ihr Kind entwendet haben, dieses. Ein wahrer Fall, versöhnlich inszeniert, auch wenn der investigative Journalist (Steve Coogan) an ihrer Seite einige Mißtöne hineinbringt.

Regisseur Stephen Frears erinnert einen ein bisschen an die Schwestern in dem Kloster, das die junge Protagonistin Philomena schamvoll aufsucht, um ihr lediges Kind zu gebären. Haben Sie die Unterhose ausgezogen, fragen die gestrengen Schwestern und bekreuzigen sich, nachdem ihnen die junge Frau gebeichtet hat, dass sie so ein schönes Gefühl mit einem Mann erlebt hat. Haben Sie sie ausgezogen oder nicht? Die strikte mboralische Ablehnung vermag das darunter brennende Interesse kaum zu verdecken. Auch Frears scheint mit dieser Geschichte gewissen Versuchungen erlegen zu sein. Er inszeniert eine Human-touch-Story, die die rührende Schlichtheit der Hauptdarstellerin ein wenig zu oft bemüht. Auch Judi Dench dreht auf diesem Parkett gekonnt ihre Runden: zwischen ostentativer Einfachheit und dem üblichen Starrsinn, mit dem Figuren wie die ihre gerne versehen werden, um ihnen diesen Touch von liebenswertem Eigenbrötlertum zu verleihen.
Weil Gefühlsbildung, zumal solcher Art, sehr stark mit Reibung verbunden ist, darf ein zynischer  Mann an Denchs Seite nicht fehlen; ein Journalist (Steve Coogan), der ihr nun viele Jahrzehnte später bei der Suche nach ihrem Kind helfen soll. Von der Zuspitzung dieses Gegensatzes zehrt, eigentlich ohne Notwendigkeit, auch das Drehbuch im weiteren Verlauf: Coogan, der gut gebildete, sarkastische Snob und die schlichte, wenngleich herzensgute alte Frau aus Arbeiterklasseverhältnissen sollen die Spurensuche als odd couple ordentlich würzen. Das wirkt aber immer wieder berechnet, wiewohl die Rechnung wohl aufgehen dürfte, dass Judi Dench dieden Sympathien immer wieder auf ihrer Seite hat.

Stoff von großer Tragweite

„Philomena“ beruht auf einer wahren Geschichte, so unglaublich sie auch wirkt. Denn aus dem kleinen Kind wurde ein Berater der konservativen US-Präsidenten Reagan und Bush, der tatsächlich schwul war und an AIDS starb. Das irische Kloster dieser Zeit stellt sich als veritable Verkaufsagentur für unmoralisch gezeugte Kinder heraus, ein sattes Geschäft für den Orden. Das alles macht Philomena zu einem Stoff von großer Tragweite, ausgestattet mit einigen wirklich irren Details. Frears hat ihn mit all seinem Können auf eine freundliche britische Tragikomödie mit typischem Klassenhintergrund eingewalzt, in der sich kriminologische Anflüge und ein Rest von Kritik finden. Frears ist niemand, der durch eine spezifischen Stil auffällt, aber durch eine Methode. Er ist ein Crowdpleaser, der einen selten enttäuscht, weil man weiß, was man bekommt. Der Film basiert auf der Buchvorlage The Lost Child of Philomena Lee des Journalisten Martin Sixsmith, den Steve Coogan spielt.