Das UNPOP-Ensemble zeigt derzeit das Stück "Fairycoin" im Theater Kosmos. (Foto: Caro Stark)
Gunnar Landsgesell · 16. Dez 2016 · Film

Paula - Mein Leben soll ein Fest sein

Porträt der deutschen Malerin Paula Modersohn-Becker, die in der rein männlich dominierten Künstlerkolonie Worpswede vor allem erfährt, was sie nicht will: Die Technik eines akkuraten Naturalismus zu erlernen, der zudem den eigenen Marktwert steigern soll. Bereits verheiratet entflieht sie nach Paris, um in einem mondänen Künstlerumfeld ihr Leben neu zu gestalten.

Rilke (Joel Basman) tritt als wortkarger Kautz vor sein Publikum, das gerne diesen Genius feiern würde, aber nur ein paar unverständliche Lyrik-Brocken hingeworfen bekommt; Fritz Mackensen (Nicki von Tempelhoff), Leiter der Künstlerkolonie Worpswede, hält Frauen generell für unfähig zur Kreativität, und verfällt als Verfechter eines akkuraten Naturalismus schon bald dem aufkommenden Deutschnationalismus; der Maler Otto Modersohn (Albrecht Abraham Schuch) schließlich ist der unmännlichste Protagonist in dieser Runde: zu einer eigenen Meinung kaum fähig, laviert er sich mit seiner Gebrauchsmalerei durchs Leben und heiratet Paula, die junge Malerin, der von Mackensen kein Talent beschieden wird und für deren Kunst auch Otto kein Verständnis, nur eine paternalistische Nachsicht hat. 
Solchermaßen steckt Regisseur Christian Schwochow die Eckpunkte seiner Inszenierung ab. Jede Figur mit einer markanten Eigenschaft versehen, die man sich merkt. Mittendrin tummelt sich Paula, Tochter bürgerlich-aristokratischer Eltern, die gegen den Widerstand des Vaters Malerin werden möchte. Im luftig-weißen Sommerkleid wirbelt sie mit ihrer Freundin und Maler-Kollegin durch die Künstlerkolonie, kichernd und provokant, so wie während der gesamten Erzählung bemüht, die Gartenzäune dort niederzureißen.

"Mach mich zur Frau"

Die Grundierung des Films, dass hier eine Frau auf der Suche nach einer anderen Rolle, einer anderen Welt ist, ist augenfällig, wenngleich Paulas Rebellion von Schwochow und seinen Drehbuchautoren (Stefan Kolditz, Stephan Suschke) in Stereotypien von Naivität und Emotionalität als spezifisch weibliche Eigenschaften überzeichnet wird. Dazu passt auch, dass der Film die Ehe als eigentliches Feld für seine dramatischen Akzente setzt.
Fünf Jahre hat Otto Modersohn (aus Angst um deren Gesundheit) mit seiner Ehefrau keinen Sex, bis diese ihn Richtung Paris verlässt. Aus dem Bedürfnis nach gesellschaftlicher Freiheit wird damit flugs ein körperliches ("Mach mich zur Frau"), das Porträt der bedeutenden Künstlerin wandelt in manchen Momenten nahe an der Banalisierung der Figur.
Stimmig zu dieser Interpretation der Malerin wirkt Carla Juri, die als Paula die Männer ebenso umtanzt wie sie sie austrickst, ohne dabei ihre eigene Verletzlichkeit zu verlieren. Von der Figur dieser Frau, die die Welt durch ihre Bilder etwas anders sah als ihr Umfeld, werden hingegen nur wenige Umrisse deutlich. „Paula“ wirkt mehr wie eine Ode an die Freude, bei der Koketterie einer der stärksten Impulse zu sein scheint. Wer die Arbeiten von Paula Modersohn-Becker betrachtet, deren Stil und Motive in einem ganz anderen Spannungsverhältnis zu jenen ihrer Worpswedener Künstlerkollegen stehen, würde etwas anderes erwarten.