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Gunnar Landsgesell · 08. Sep 2022 · Film

Orphan: First Kill

Eine Familie adoptiert ein Kind, in dem sie ihre verschollene Tochter zu erkennen glaubt. Remake des Horrorthrillers „Orphan" von 2009, in dem die damals elfährige Isabelle Fuhrmann erneut die Rolle der mörderischen Adoptivtochter spielt.

Lange dauert es nicht, bis die Alarmglocken in „Orphan: First Kill“ schrillen. In einer Psychiatrie in Estland, deren bunkerartige, düstere Ausstattung so dick aufgetragen ist wie das, was noch kommen soll, herrscht Aufregung. Eine gefährliche Insassin ist außer Kontrolle. Doch das eigentlich Böse bahnt sich in einem Nebenraum an, in der Person eines kleinen Mädchens. Den Bleistift schon wie eine Waffe in der Hand, wird Leena (Isabelle Fuhrmann) durch ein flackerndes blutrotes Licht zünftig in die Handlung eingeführt. Die Kinderpsychologin Anna (Gwendolyn Collins), die arglos auf sie zugeht, überlebt die Begegnung noch knapp.

Die übliche Filmsprache

„Orphan: First Kill“ lebt von einer ziemlich gewagten Dramaturgie. Scheinbar unschuldige Kinder, deren dämonische Energie nicht eher versiegt, als ihre Umwelt vernichtet ist, finden sich seit langem im Kino. Die zehnjährige Leena mit dem schneidenden Blick, den streng gebundenen Zöpfen und dem russischen Akzent trifft aber etwas überraschend auf ein zweites abgründiges Zentrum im Film, das ähnlich gepolt ist wie sie, nur etwas dezenter in die Handlung eingebaut wird. So geht die Geschichte also, dass die psychotische Killerin Leena, die auf mörderische Weise aus der Irrenanstalt flüchtet, von einer Familie adoptiert wird, deren Tochter Esther verschollen ist. Man ist reich, die Mutter (Julia Stiles) eine bekannte Persönlichkeit, der Vater (Rossif Sutherland) malt „double layer”-Porträts, die in entsprechendem Licht sichtbar werden. Sohn Gunnar (Matthew Finlan) wirkt ein wenig verpeilt, fällt aber nicht weiter auf, während ein Detective (Hiro Kanagawa) noch mit dem Verschwinden der Tochter befasst ist. Eine Idee, mit der sich spielerische Räume eröffnen würden, ist, dass die kleine Leena eigentlich eine Frau über 30 ist. Durch eine hormonelle Störung hat ihre körperliche Entwicklung im Alter von zehn Jahren geendet. Das Publikum erfährt das folgerichtig noch vor der Familie, die ihre vermeintliche Tochter empfängt.
Regisseur William Brent Bell, der sich auf Horrorfilme spezialisiert hat, schafft aber nur wenig Raum, um diese bizarre Idee dramaturgisch zu verwerten. So brennt sich die harsche Mimik von Leena bald als permanente Drohgebärde ein, während die Handlungen ihres Umfeldes spannungsmäßig ins Leere laufen. Immerhin: Darstellerin Isabelle Fuhrmann erreicht eine fast ikonische Wirkung mit ihrem erratisch eingesetzten Gesicht. Tatsächlich hat sie in dieser Rolle bereits Erfahrung. „Orphan: First Kill“ ist ein Remake des Horrorthrillers „Orphan“ aus dem Jahr 2009 (mit Vera Farmiga als Mutter!), in dem Fuhrmann die Rolle bereits als Elfjährige gespielt hat. Bizarr, dass sie nun mit einem ähnlichen Look, aber als junge Frau, erneut in diese Rolle schlüpft, ohne dass daraus mehr als ein Film entstand, der seine Geschichte noch einmal referiert: in dunklen Interieurs, subjektiven Kamerabildern und der blutigen Unmoral, die nach und nach zum Vorschein kommt.