Neu in den Kinos: „Beautiful Wedding“ von Regisseur Roger Kumble (Foto: Leonine)
Gunnar Landsgesell · 15. Aug 2019 · Film

Once Upon a Time in Hollywood

Tarantinos neunter und angeblich vorletzter Film: Zwei Desperados (DiCaprio, Pitt) auf der Kehrseite Hollywoods der Siebziger Jahre. Statt einer Geschichte breitet sich eine atmosphärisch dichte Beobachtung aus, die ein erstaunliches Gefühl für den Niedergang der Industrie gibt.

Quentin Tarantino als Märchenerzähler? Da zumindest legt der Titel seines neuen Films nahe, dabei handelt es sich aber weniger um die Ankündigung einer großen Erzählung als um eine namentliche Referenz an „Es war einmal in Amerika“ von Tarantinos Regie-Vorbild Sergio Leone. Dessen epische Breite und die Liebe zum Detail hat Tarantino freilich auch mit seiner neuen Arbeit nicht erreicht, auch wenn 160 Minuten Spiellänge dafür angetan wären. Der Spaß im Schaffen und wohl auch in der Rezeption Tarantinos liegt aber mehr in der freien Assoziation filmischer Zitate, die jedes Werk frech in sich vereint. Das verhält sich auch in „Once Upon a Time in Hollywood“ nicht anders, nur dass der Film diesmal von sich gar nicht behauptet, eine eigene Geschichte zu erzählen. Zwei Desperados, Leonardo DiCaprio (Rick Dalton) als abgehalfterter Schauspieler und Brad Pitt (Cliff Booth) als dessen treuer Begleiter und Bediensteter, driften im Jahr 1969 durch Hollywood, das sie beide schon aus dem Sattel abgeworfen hat. Es ist kein Hollywood des Glamours, das Tarantino zeigt, sondern eines, das aus Kulissen besteht, aus Blicken auf schäbige Behausungen und auf Versprechungen, die für einige sicher eingelöst werden, aber nicht für die, denen das Publikum hier folgt. Damit wirkt Tarantino vielleicht zum ersten Mal viel näher an seinen eigenen Gefühlsrezeptoren für die Zeit und den Ort, den er so gerne in seinen Pastiche-Werken nachempfindet. Dazu passt, dass diesem Hollywood selbst eine richtige Geschichte schon abhanden gekommen ist, ein Niedergang, der sich in einem plan- und ziellosen Dahinlavieren der Dramaturgie dieses Films niederschlägt. Anders als die oft recht aufgemotzt aber in ihrer Zitathaftigkeit hohl wirkenden Themenschauen kommt „Once Upon a Time...“ gar nie wirklich in Schwung. Genau dabei schaut man interessanterweise aber ganz gerne zu. 

Uferlose Szenen

DiCaprio als mäßig erfolgreicher Seriendarsteller ist der Erfolg nicht ins Gesicht geschrieben. Manche erkennen ihn auf der Straße noch, er schlägt sich mit Kurzauftritten durch. Den Bösen spielt er mit lustloser Routine. Jetzt rät ihm ein Produzent (Al Pacino hinter dickem Make-up im Kurzauftritt), in Italien ein Engagement anzunehmen, beim zweitbesten (!) Regisseur des Spagetti-Westerns, Sergio Corbucci. Tarantino steckt einige Leidenschaft in die Figur DiCaprios, dessen fetter Wagen und das Haus mit Swimmingpool wirken jedoch immer so, als wären sie morgen schon weg. Im Gegensatz zum recht farblosen Erscheinen DiCaprios überrascht Brad Pitt mit einer kruden Mischung aus Phlegma und Donnerschlag. Der Mann, dem das Schicksal scheinbar nichts mehr anhaben kann, der abends täglich die Villa seines Freundes für ein schmutziges Trailer-Home wechselt, wo er seinem massigen Hund in einem bizarren Ritual das Futter verabreicht; dieser Mann kann aus dem Stand einen Kung-Fu-Darsteller vermöbeln, einen unverhofften Job in der Sekunde wieder zunichte machen oder einer jungen Hippie-Frau mit sexuellen Avancen ungerührt die Lust daran verderben. Pitt spielt sich mit diesem Cliff Booth vielleicht in die Rolle seines Lebens. Seine ausufernden Beschreibungen dieser zwei Figuren rahmt Tarantino mit so etwas wie einem narrativen Rahmen. Am Nachbargrundstück von Rick Dalton siedelt sich ein gewisser Polanski an, den man zeitweise durchs Bild huschen sieht. Dessen Frau Sharon Tate (Margot Robbie) erhält einen weiteren Erzählstrang als Schauspielerin, die sich in einem ihrer frühen Filme (bezeichnend: „The Wrecking Crew“) im Kino fast unerkannt selbst ansieht. Tate wurde 1969 von der Satanisten-Sekte des Charles Manson grausam ermordet. Auch in Tarantinos Film steht einem am Ende dann doch die unvermeidliche Gewalt ins Haus. Es sind seltsame Szenen, die etwa durch einen Hundedarsteller komisch wirken sollen, aber eher ein verdichteter Moment des im Film mehrfach artikulierten Hippie-Hasses von Dalton und Booth, von einer misogynen Haltung Tarantinos sowie dessen gerne gepflegten Zynismus ist. Bis dahin lassen sich aber auch neue Seiten Tarantinos beobachten.