Oblivion
Viel Brimborium in einem Science-Fiction Film, in dem der vielleicht größte Stolz des Menschen, ein einzigartiges Individuum zu sein, ordentlich gekränkt wird. Tom Cruise trägt in seinem Kampf gegen die Aliens schwer daran.
Ein zerborstener Mond hängt in einem trüben Himmel, um zu versinnbildlichen: hier ist nun wirklich alles kaputt. Unten zischt Tom Cruise, der Drohnen-Mechaniker, über einen verkohlten Planeten. Die matt-leuchtenden zwei Brocken des Mondes, die diesen Planeten als Erde ausweisen, tun das keineswegs traurig-romantisch. Sie erinnern an Gimmicks, die man aus Videogames kennt. Schraffierte Landschaften und programmierte Spielzüge, böse Mächte und der Spaß an räumlicher Bewegung. Dass die Phantasie der Spiele-Designer dabei immer auch scharf die Phantasie des Publikums begrenzt, stört bei Games nicht. So muss man sich aber auch „Oblivion“ vorstellen: „Tron“-Regisseur Joseph Kosinski hat in die gestrichenen Oberflächen sterile Spielfiguren eingesetzt, die selbst wie aus dem Computer generiert wirken. Andrea Riseborough etwa, sie spielt Victoria, die Ehefrau des Cruise-Charakters Jack. Im gläsernen Loft hoch über den Wolken, das den Charme eines Labors verstrahlt, überwacht sie die Flugeinsätze ihres Ehemannes per Control Desk. Oder Morgan Freeman, Anführer einer Widerstandstruppe, die in verstrahltem Gebiet in Höhlen haust und angeblich einen Rest der Aliens darstellt, die die Menschen einst bekämpften. Auch Freeman scheint mehr gegen den artifiziellen Anstrich seiner Rolle zu kämpfen als gegen die wahren Feinde. Wer die wahren Feinde sind, das dämmert aber auch Cruise erst im Lauf des Geschehens. Sein Auftrag ist es, zum Schutz der restlichen Menschheit, die sich nach einem Alienangriff irgendwo ins All gerettet hat, jene Aliens zu töten, die es auf der Erde noch gibt. Eine Flotte von Drohnen unterstützt ihn dabei. Dass Cruise Freemans Widerstandskämpfer zu Unrecht für Aliens hält, ist die Prelude für den dramaturgischen Twist, den Kosinski in seine Geschichte eingebaut hat. Ohne zuviel zu verraten, erinnert die Problematik von „Oblivion“ stark an die bange Frage des Protagonisten in „Blade Runner“: Bin ich ein Mensch oder doch nur ein Klon? Als Cruise eines Tages in einer Raketenkapsel eine Frau (Olga Kurylenko, bald im neuen Film von Terrence Malick „To the Wonder“ zu sehen) findet, glaubt er eine Erklärung für die wiederkehrenden Erinnerungsschnipsel in seinen Träumen gefunden zu haben. Auf der Spitze des Empire State Buildings, das freilich nur mehr ein paar Meter aus der verbrannten Erde ragt, outet sich die fremde Astronautin als eine ihm sehr bekannte Frau, nämlich seine eigene aus der Vergangenheit.
Der Mensch schafft sich ab
Der überraschende Identitätsgewinn des über seine eigene Herkunft zweifelnden Drohnenführers stellt sich aber auch nur als scheinbarer heraus. Denn bei Kosinski überlappen sich schließlich die Zeitebenen. Gegenwart und Vergangenheit treffen aufeinander, was, wie man aus früheren Science-Fiction-Filmen weiß, das Wissen über das eigene Ich oft ziemlich zweideutig macht. Die Einzigartigkeit des Subjekts und die Kränkung, die daraus entsteht, wenn sich diese als Trugschluss herausstellt... auch dieser Plot wurde vor wenigen Jahren in einem Film bereits klarer herausgearbeitet. In Duncan Jones „Moon“ ist dem Mann, der auf dem Mond recht einsam und nur mit einem Computer als einzigen Ansprechpartner die Station leitet, ein ziemlich entwürdigendes Ende beschert, als er draufkommt, dass eine endlose Zahl von Replikanten im Keller wartet. Alle schauen so aus wie er, und er ist einer von ihnen. Jones hat von dieser menschlichen Tragödie in konzentrierter Form und ziemlich anrührend erzählt. Konsinski baut für seinen letzten, postapokalyptischen Menschen auf der Welt hingegen ein Brimborium an dramaturgischen Seltsamkeiten und landschaftlichen Attraktionen auf, bei denen man sich am Ende fragt, wofür. Acht Jahre hat der Regisseur, Drehbuchautor und Production Designer Kosinski an seiner Graphic Novel gefeilt, vielleicht wucherte sie deshalb so. Dass Cruise gegen den Trend schwarz gewandeter Filmhelden einen schmutzig-weißen Lederanzug trägt und in den Actionszenen wenig heroisch, sondern durch die ihn umgebende Technikwelt gelenkt und gehetzt wird, erinnert aber fast schon an das, was der österreichische Philosoph Günther Anders einst über unsere Zukunft schrieb: Dass wir durch den technischen Fortschritt eine Welt entwickeln, die den Fähigkeiten des Menschen überlegen ist. Wir erleben dabei, so Anders, wie wir uns selbst überflüssig machen. Das sei auch die ungewollte Tendenz unserer Zeit: den Menschen zu liquidieren, während die Technik das neue Subjekt der Geschichte wird. Zumindest in dieser Hinsicht könnte "Oblivion" und seine krude, zusammengestückelte Geschichte, fast Sinn machen.