Die Theatergruppe "dieheroldfliri.at" zeigt derzeit ihr neues Stück "Das Rote vom Ei" (Foto: Mark Mosman)
Gunnar Landsgesell · 12. Aug 2022 · Film

Nope

Die Ranch einer afroamerikanischen Familie wird eines Tages von einem UFO heimgesucht. Da heißt es, Stellung beziehen. Aber wozu genau? Der neue Film von Horror-Regie-Star Jordan Peele lässt einen etwas ratlos zurück.

Dieser Film beginnt mit einer falschen Fährte. Ein Schimpanse sitzt in einem verwüsteten TV-Studio, neben ihm eine Leiche, die er blutverschmiert bearbeitet. Schon wähnt man sich nach „Get Out“ und „Us“ im nächsten hintersinnigen Horrorfilm des afroamerikanischen Regie-Shooting-Stars Jordan Peele, in dem gesellschaftliche Abgründe plötzlich zu einer bizarren Realität werden. Vielleicht schlägt hier ja aber auch die „Natur“ in Gestalt eines dressierten Affen zurück und Peele hat den Öko-Horror entdeckt. Nichts dergleichen, „Nope“ verfolgt keine dieser Spuren, sondern lässt nach einer Weile tatsächlich ein unbekanntes Flugobjekt am Himmel auftauchen. Zuerst so kurz zwischen den Wolken, dass man glaubt, man hat sich getäuscht. Später gibt es keine Zweifel mehr, hier schwingt ein UFO durch die Lüfte, das einmal wie ein Rochen und dann wieder wie ein Krake seine Form verändert. Eine Öffnung in der Mitte erweist sich als ideal, um Erdlinge und anderes Zeug aufzusaugen. Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Film längst von den Hoffnungen des Zusehers verabschiedet, dass die Handlung doch noch in Richtung bissiger Gesellschaftssatire findet. „Nope“ ist eigentlich ein recht geradlinig erzähltes Stück Kino, das auf irritierend beiläufige Weise das Science-Fiction-Genre aufgreift und mit der Geschichte einer Pferde-Farm verknüpft.

UFO-Alarm 

O.J. (Daniel Kaluuya) ist ein Cowboy auf der Ranch seiner Eltern, der Pferde zureitet und für Western Shows ausbildet, auf menschliche Kontakte aber eher verzichtet. Anders seine Schwester Emerald (Keke Palmer), die ein scheinbar natürliches Show Talent hat. Die Ranch hat schon bessere Zeiten erlebt, Stunts werden von den Filmstudios heute lieber mit CGI produziert als mit realen Tieren. Das Intro des mörderischen Schimpansen zeigt, warum. Mit den mutmaßlichen Außerirdischen, die nun im Tal dieser Ranch auftauchen, entwickelt sich eine skurril anmutende Jagd, das UFO zu besiegen. So als würde in diesem kleinen, trockenen Tal die Zukunft der Menschheit entschieden. Neben den beiden Geschwistern nimmt daran noch der Betreiber der benachbarten Western City (Steven Yeun) teil – er war ein Kinderstar der schiefgelaufenen Schimpansen-Show, die er aber überlebt hatte. Dazu ein kauziger Dokumentarfilmer, der die Flugschüssel mit einer Handkurbel-Kamera ins Bild setzen möchte. Und ein Technik-Nerd, der bei einer Elektronikkette arbeitet. Peele bringt sein emblematisch ausgewähltes Team in Stellung und macht Kino. Keine große Geschichte – er versteht seinen Film eher wie einen Bewegungssensor, der den Mustern von Aktion und Reaktion nachspürt, vor allem aber auch dem dazwischen: der gespannten Ruhe bis zur nächsten Eskalation. Ein bisschen wie Cary Grant, der sich in „North by Northwest“ von einem Flugzeug verfolgt in die Felder duckt. So mäandert der Stellungskrieg der kleinen Truppe gegen das vorwitzige UFO dahin, produziert mal komische, dann wieder banale Bilder, nerdig wirkt diese Inszenierung allemal. Anders als im Western gibt es einen gesichtslosen Gegenspieler, der aber nicht aus der Gesellschaft kommt, sondern vom Himmel. Am Ende gefällt die Absage an viele dramaturgische Konventionen – wann fiel der inszenatorische Umgang mit Außerirdischen so frei und unbekümmert aus wie hier? – aber man bleibt auch etwas ratlos zurück, was einem diese Begegnung über eine Reihe spielerisch eingesetzter Referenzen hinaus eigentlich erzählt hat.