Das Wiener Burgtheater war mit Molières „Der Menschenfeind“ unter der Regie von Martin Kušej im Bregenzer Festspielhaus zu Gast ( Foto: Matthias Horn))
Walter Gasperi · 28. Jul 2011 · Film

Nichts zu verzollen

Nach dem Kassenschlager „Willkommen bei den Sch´tis“ legt Dany Boon eine weitere Komödie um nationale Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit vor. Seine französisch-belgischer Zöllnerfilm lehnt sich aber zu sehr an den Vorgänger an, kann nicht mehr mit Originalität punkten und lässt Zwischentöne vermissen, bietet aber immerhin viel Klamauk und Dialogwitz.

Nicht alle haben ihre Freude mit dem Zusammenwachsen Europas. Als Mitte der 80er Jahre mit dem Schengener Abkommen die sukzessive Abschaffung der Grenzkontrollen beschlossen wird, löst das beim belgischen Zöllner Ruben Vandevoorde (Benoit Poelvoorde) im französisch-belgischen Grenzörtchen Courquain einen Angstschrei aus. Von Vandevoordes weit aufgerissenem Mund rast die Kamera in simulierter Rückwärtsfahrt ins Weltall, macht die Kleinheit der Erde angesichts der Weite des Kosmos sichtbar. Als Stecknadel im Heuhaufen erscheint die Erde hier, lächerlich wirken folglich auch nationales Denken und Grenzstreitigkeiten.

Französisch-belgische Vorurteile und Ressentiments

Vom Weltall nähert sich die Kamera, nachdem die Erde einmal die Sonne umkreist hat, wieder dem Ausgangsort. Sieben Jahre sind inzwischen vergangen und man schreibt den Jahreswechsel 1992/93, an dem die französisch-belgischen Grenzbalken verschwinden sollen. – Ironischerweise kommt „Nichts zu verzollen“ gerade zu einer Zeit ins Kino, in der Dänemark wieder die Einführung von Grenzkontrollen beschließt.
Im Mittelpunkt von Dany Boons Komödie stehen die gegenseitigen französisch-belgischen Vorurteile und Feindseligkeiten, die vor allem durch den belgischen Rassisten und Choleriker Ruben Vandevoorde (Benoît Poelvoorde) und seinen französischen Kollegen Mathias Ducatel (Dany Boon) personifiziert werden. Der eine redet von den Franzosen nur als „Camemberts“, predigt seinem kleinen Sohn von der Größe der belgischen Nation, für den anderen sind die Belgier wiederum „Frittenfresser“.
Von der Öffnung der Grenzen sind aber nicht nur die Zöllner betroffen, sondern auch die Restaurantbesitzerin Ireène (Karin Viard) und ihr grenzdebiler Lebensgefährte (François Damiens), die mit drastischen Geschäftseinbussen rechnen und ihr Restaurant "No Man´s Land", das Treffpunkt sowohl der belgischen als auch französischen Zöllner ist, noch rasch gut verkaufen wollen.

Im klapprigen R4 auf mobiler Grenzkontrolle

Zusätzliches explosives Potential erhält die Konfrontation der beiden Zöllner dadurch, dass Ducatel schon ein Jahr heimlich mit Vandevoordes Schwester liiert ist, deren Familie freilich nie einen Franzosen als Gatten akzeptieren würde. So muss Ducatel nolens volens versuchen Vandevoordes Sympathie für sich zu gewinnen und meldet sich mit ihm für eine gemeinsame belgisch-französische mobile Grenzkontrolle.
Mit klapprigem R4 und Handy der ersten Generation sind sie unterwegs, doch die Schmuggler, mögen sie auch noch so bescheuert sein, entkommen ihnen spielend. Das ändert sich freilich, als der Wagen auffrisiert wird und unter der Karosserie des Kleinwagens der Motor eines Rennwagens eingebaut wird. Vorhersehbar ist sowohl, dass sich die beiden Zöllner bei ihren Einsätzen näher kommen, als auch, dass Ressentiments mehrfach durchbrechen werden. Am Happy-End können freilich nie Zweifel aufkommen.

Variation von  "Willkommen bei den Sch´tis"

Einen Film zu synchronisieren, der Gegensätze auch über dialektale Unterschiede herausarbeitet, ist im Grunde ein Unding. Schwer tut man sich damit auch am Beginn, gewöhnt sich dann aber an die dafür geschaffene deutsche Kunstsprache. Nicht nur dieser Kniff erinnert an „Willkommen bei den Sch´tis“, sondern auch der Aufeinanderprall von Vorurteilen sowie der Glaube, dass sich diese durch besseres Kennenlernen des Gegenübers schließlich auflösen. Die Originalität, die die „Sch´tis“ trotz des harmlosen Humors damit noch ausstrahlten, fehlt diesem Nachfolger damit, dennoch konnte Boon mit „Nichts zu verzollen“ in Frankreich mit über 10 Millionen Besuchern wieder einen Hit landen.
Noch weniger als bei den „Scht´ís“ die sozialen Probleme der Region Nord-Pas-de-Calais lotet Boon hier das Milieu der belgisch-französischen Grenzregion aus. Ganz auf die Schauspieler konzentriert er sich, setzt aber auf Grimassieren, Dialogwitz und Klamauk und lässt ihnen keinen Raum, um Charaktere zu entwickeln. Auf Typen reduziert bleiben Zöllner, Restaurantbesitzerin und debile Drogenschmuggler auch, weil sich Boon keine Zeit nimmt für einen realistischen Blick auf Lebens- und Arbeitswelten.

Viel Klamauk, ein Schuss Gefühl und simple Botschaft

Hier geht es um schnelle Gags und leichte Unterhaltung, das aktuelle Thema Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus bietet dafür den Hintergrund. Für eine auch nur ansatzweise differenziertere Untersuchung dieser Problematik interessiert sich Boon allerdings nicht. Simpel ist dann auch sein Plädoyer, dass man diese Vorurteile überwinden kann, wenn man sich nur auf den anderen einlässt, plakativ wird diese Botschaft mehrmals gepredigt.
Mag sich der Humor aber auch auf bescheidenem Niveau bewegen, so kann man doch immer wieder lachen. An die Louis-de-Funes-Filme, an denen sich Boon hier orientiert, kommt „Nichts zu verzollen“ aber nicht heran. Das liegt nicht an den beiden Hauptdarstellern, die ihre Rollen lustvoll verkörpern, als vielmehr am mangelnden Mut die Sache wirklich zu überdrehen und auf jeden Gag noch eine überraschende Pointe draufzusetzen.
Nicht ungeschickt verknüpft Boon auch mit dem Komödiantischen die Liebesgeschichte zwischen Ducatel und Vandevoordes Schwester Louise (Julie Bernard), bringt mit dieser „Romeo-und-Julia“-Geschichte Gefühl ins Spiel. Aber auch dieses Moment wird im raschen Szenenwechsel nicht vertieft. So langweilt man sich zwar 100 Minuten nicht wirklich, doch in Erinnerung bleiben wird von dieser Komödie auch nicht viel.