Neu in den Kinos: „Teaches of Peaches" Musikdoku des gebürtigen Vorarlbergers Philipp Fussenegger (Foto: Avanti Media Fiction)
Gunnar Landsgesell · 09. Apr 2021 · Film

Neues aus der Welt

Texas 1870: Ein ehemaliger Captain aus dem eben zu Ende gegangenen Sezessionskrieg trifft auf ein verwaistes Mädchen, das bei den Kiowa aufgewachsen ist und den Siedlern nun als "Wilde" gilt. Regisseur Paul Greengrass nimmt Anleihen bei John Ford und setzt ein unwahrscheinliches Paar in Szene, das vor der Zivilisation mehr zu befürchten hat als vor der zurückgedrängten Urbevölkerung. Eine Elegie mit Gewalteinbrüchen.

Filme für das Kino und alle, die vielleicht schon fast vergessen haben, wie sich das anfühlt. Noch einmal spielt Tom Hanks für Regisseur Paul Greengrass einen Captain, diesmal nicht in Bedrängnis durch Piraten (in „Captain Phillips“) vor Somalia, sondern durch einen Haufen rauer Gesellen in Texas 1870. Der Sezessionskrieg ist vor wenigen Jahren zu Ende gegangen und die Verrohung der Menschen zieht sich wie ein düsteres Band durch die Dramaturgie dieser Geschichte. Der ehemalige Soldat Captain Kidd (Hanks) reitet als Geschichtenerzähler und Zeitungsvorleser durch das Land, unterhält seine johlende Zuhörerschaft mit Erfundenem und Wahrem. Als er in einem Wäldchen auf einen erhängten Angehörigen der Kiowa trifft, den man ein Schild „Texas ist nur für Weiße“ umgehängt hat, findet er ein verschüchtertes blondes Mädchen. Es stellt sich heraus, dass Johanna Leonberger, nunmehr „Cicada“, nach einem Überfall auf ihre Eltern bei den Kiowa aufgewachsen ist und kein Wort Englisch mehr versteht. Damit hat „News of the World“ sein ungleiches Paar gefunden, wie es freilich schon viele gab. Hanks, mit Zauselbart und Runzelstirn, und die elfjährige deutsche Kinderdarstellerin Helena Zengel bringen eine eigene, interessante Qualität ein, während Greengrass sie durch den Staub der texanischen Hochebenen treibt.

Lyrische Qualitäten 

Auch wenn „News of the World“ narrative Komplexität eher scheut, lässt doch eine fast lyrische Stimmung diese Bilder schwingen. Kameramann Dariusz Wolski („Prometheus“, „Alice in Wonderland“) setzt die improvisierten Bretterbuden so genannter „Städte“ in düsteres Licht, das sich in Verbindung mit den zwielichtigen Gestalten, die sich dort herumtreiben, zuweilen wie der Vorhof der Hölle ausnimmt. Keine Rede von den gottesfürchtigen Pilgrim Fathers, denen die USA ihren Gründungsmythos zuschreiben. Greengrass inszeniert die ungewisse Reise des Soldaten und der Waisen im Rhythmus von Gefahr und kurioser Annäherung. Der Captain mutiert dabei zu einer Art Priester, der sich Gott sei Dank auf die Schießkunst versteht, wollen doch ein paar grobschlächtige Männer das Mädchen für die Prostitution entführen, während Cicada von anderen aufgrund ihrer indianischen Sozialisation wiederum als „Wilde“ abgelehnt wird. Damit nimmt das Drehbuch zweifellos Anleihen an John Fords „The Searchers“, überträgt dessen Ambivalenzen aber eher auf eine höchst zweifelhafte Zivilisation, die hier mehr der Barbarei gleicht. Ein Panorama blutiger, gehäuteter Büffel, die über die strohtrockene Prärie verteilt liegen, erzählt allegorisch von einer Auslöschung als unbenannter Hintergrund der Geschehnisse. Greengrass hat sich mit der „Bourne“-Reihe als Spezialist für pure Aktion einen Namen gemacht, findet in „News of the World“ aber einen schönen Erzählrhythmus für das schicksalshafte Duo. Die Trennung, die mit jedem Tag der Reise zu den Verwandten Johannas näher kommt, scheint dem Sound der beiden folgend immer unwahrscheinlicher zu werden. Ein Western, der keinesfalls ohne Waffengebrauch auskommt, aber seine Reflexionsräume (Score: James Newton Howard) immer wieder in den Momenten dazwischen findet.