Tobias Grabher, die Camerata Musica Reno und Michael Köhlmeier bescherten dem Publikum ein „österliches Cineastenfest“.
Gunnar Landsgesell · 26. Okt 2017 · Film

Maudie

Das Porträt der kanadischen Malerin Maud Lewis, die trotz ihrer schweren körperlichen Behinderung und gesellschaftlicher Widerstände ihr Leben selbst gestaltete. Sally Hawkins (Maudie) und Ethan Hawke richten sich dafür als Außenseiterpaar zwischen rauen Tönen und naiver Zuneigung in einer winzigen Hütte ein.

Irgendwann bemalt Maudie (Sally Hawkins) die Wände des Hauses, das Fenster, die Tür. Als ihr Mann (Ethan Hawke) nach Hause kommt, meint er bloß, bemale nicht die Ecke beim Ofen, die muss frei bleiben. Zu diesem Zeitpunkt hat sich das schrullige Paar im Porträtfilm „Maudie“ schon eingefunden: in ein Leben in einer winzigen Holzhütte mit einem Raum, in relativer Armut, am Rand der staubigen Sandpiste, in gehöriger Distanz zu einer Kleinstadt, irgendwo im kanadischen Nova Scotia vor vielen Jahrzehnten. Irgendwann später, im Film selbst dauert es nicht lange, klopft es an der windschiefen Tür, vor der sich eine sichtlich mondäne Frau aufbaut und fragt, wie das eigentlich mit der Fischlieferung und der Rechnung sei. Da Maudies Mann Fische in der Gegend verkauft, übernimmt sie öfters selbst die Geschäftsabwicklung zuhause. Daraus entwickelt der Film den entscheidenden Moment in dieser Künstlerinnenbiographie, den es wohl in Wirklichkeit so nie gab. Die Frau, offenbar eine Kunstliebhaberin, bemerkt die naiven Malereien und fragt, ob Maudie nicht ein paar Bilder für sie malen könne. Fünf Dollar pro Stück wird sie dann dafür verrechnen, die Summe legt der Mann fest. Maudie kichert dazu, und man weiß nicht genau, ob das zustimmend gemeint ist oder kritisch.

 Naiver Blick

„Maudie“ ist die weitere Ausgabe einer Reihe von Künstlerinnen-Porträts, die in den vergangenen Jahren in die Kinos gekommen sind. 2016 etwa kreierte „Paula“ eine kunterbunte Geschichte rund um die deutsche Malerin Paula Modersohn-Becker, während „Maudie“ sich auf die kanadische Malerin Maud Lewis bezieht, die 1903 mit einer schweren rheumatoiden Arthritis auf die Welt gekommen, trotz aller Hindernisse zu einer bedeutenden Figur wurde. Wie schon „Paula“ zielt auch „Maudie“ weniger auf die künstlerische als auf die Lebensleistung der Protagonistin ab, sich gegen beachtliche gesellschaftliche Widerstände durchzusetzen. Unter der Regie der irischen Regisseurin Aisling Walsh und mit dem bekannt expressionistischen Spiel von Sally Hawkins entsteht das stark gefühlsbetonte Porträt einer Frau, die sich mit einer Mischung aus Gutmütigkeit und Hartnäckigkeit ihren Platz im Leben schafft. Noch zu Beginn des Films teilt ihr der Bruder mit, er habe eben das Elternhaus verkauft, ehe er mit dem Erlös wieder abreist. Hawkins registriert die Zurücksetzung mit verrenktem Körper und entrückter Mimik, nur unter größter Mühe bewegt sie sich durch den Raum. Und auch als sie bei dem nicht besonders beleumundeten Eigenbrötler Everett (ein recht unscheinbarer Ethan Hawke) als Hausmädchen anheuert, ist aus der Darstellung von Sally Hawkins kaum zu erkennen, wie sie hier eine Hilfe sein könne. Wenn Everett Maudie in einem der wenigen harschen Momenten des Films erklärt, sie komme in der Reihenfolge erst nach seinen Hunden und Hühnern, dann ist das Publikum bestens vorbereitet für eine rührende Wandlung der Verhältnisse. Das notorische Außenseiterpaar findet trotz aller Fährnisse zusammen und wird, auch wenn die erschreckende Armut nicht überwunden wird, in einer beidseitigen Zufriedenheit und Selbstbescheidung diese filmische Erzählung beenden. Wohl nicht zufällig erinnert die freundliche Naivität der Bilder, die Maud Lewis malte, auch an die Sicht der Welt, wie Maudie sie im Film wahrnimmt. So bescheidet ihr auch die hartherzige Tante, aus deren Zugriff sie sich einst befreien konnte, sie sei wohl die einzige in der Familie, die wirklich glücklich wurde.