Stefan Rüeschs Werke sind derzeit in der Galerie Sechzig in Feldkirch zu sehen. (Durchblick, Acryl u. Kohle auf Leinwand, 126 x 438, 2020, Foto: Markus Tretter)
Walter Gasperi · 29. Nov 2012 · Film

Masse statt Klasse – Kurzfilmnacht in der Harder Kulturwerkstatt Kammgarn

Am Mittwoch, den 28.11. 2012, luden Wolfgang Rainer und Philipp Horatschek zum siebten Mal zur „Langen Nacht des kurzen Films“ in die Harder Kulturwerkstatt Kammgarn. In drei Blöcken wurden insgesamt 30 Filme gezeigt, doch nur wenige Produktionen konnten wirklich überzeugen.

Zu bewundern ist das Engagement, mit dem Wolfgang Rainer und Philipp Horatschek seit Jahren die Kurzfilmnacht organisieren. Budget steht praktisch keines zur Verfügung, sodass über zwei DVD-Player die drei Blöcke mit insgesamt 30 Filmen abgespielt werden. Technische Probleme, wie dass mehrere DVD hängen blieben oder Filme nicht formatgerecht gezeigt wurden, muss man angesichts der begrenzten finanziellen Mittel wohl in Kauf nehmen. Doch auch davon abgesehen lösten nur wenige Filme wirklich Begeisterung aus.

Sozialprojekte

Das Schöne am Herstellen eines Films sei, dass man dabei zusammenarbeiten könne und müsse, betonen die Kinder im Animationsfilm „Zwei Inseln befreunden sich“ des siebenjährigen Adam Joelli und  seiner Mutter Eva mehrfach. Um den sozialen Aspekt geht es aber nicht nur in diesem Film der Joellis, sondern auch in ihren anderen Produktionen wie „Frieda und Streit“ oder „Mobbing in der Obstschale“. Man muss begrüßen, dass die Frankfurterin Eva Joelli mit Kindern Filme macht, schwer erträglich ist es aber nicht nur der erhobene Zeigefinger in ihren Filmen, sondern auch, wenn in „Frieda und Streit“ in Frontalaufnahme nur zwei Puppen vor einer Kinderzeichnung gefilmt werden und die Geschichte allein über Off-Kommentar erzählt wird oder in „Zwei Inseln befreunden sich“ der Off-Kommentar gleich auch noch auf Schrifttafeln eingeblendet wird.
Weniger ein überzeugender Film als vielmehr eine Belangsendung für die Gleichstellung von Frauen bei der Entlohnung ist „121 – payday in vorarlberg“ von Marion Maier und Ingrid Delacher. Anschaulich wird zwar das Anliegen vorgebracht, wenn wechselnde Männer und Frauen je eine Glasvitrine mit Bällen füllen und die eine Vitrine am Ende voll, die andere aber eben nur zu rund zwei Drittel gefüllt ist – für einen Film ist das aber doch zu wenig.

Unfilmisch und beliebig

Als wenig einfallsreich erwiesen sich auch die Produktionen der Wolfurter Filmplattform Achnus-Film. Dürftig ist ein Musik-Clip zum EAV-Hit „Küss die Hand, Herr Kerkermeister“, in dem abwechselnd ein auf einer Pritsche liegender Häftling, der das Lied singt, und ein Chor von Kindern hinter einem Gitter zu sehen ist. Auch dieses Projekt, das im Rahmen eines Sommerprogramms für Wolfurter Kinder entstand, muss man wohl eher als soziale denn als filmische Aktion sehen. Belanglos und dilettantisch ist aber auch die Dokumentation „Der Stern vom Betlehem“ in dem ein Reporter von Achnus-Film am Dornbirner Weihnachtsmarkt in der Art des Ö3-Mikro-Mann Marktbesucher zu Weihnachten befragt. Das hätte schon ein böser Blick auf solche vorweihnächtlichen Märkte und ihre BesucherInnen werden können, aber an keinem Thema beisst sich der Film bzw. der Reporter fest, springt beliebig zwischen den Interviewten hin und her und von einer Frage zur nächsten.

Kurz, aber originell

Manchmal reicht für so einen kurzen Film ja eine gute Pointe. Originell ist beispielsweise, wie Volker Krieger in „Fast Food“ in knapp einer Minute die Produktion von Fast Food erklärt. Und  charmant mischen Simon Weiß und Philipp Horatschek in „Nice Mice – Nette Mäuse“, der bei dieser Kurzfilmnacht seine Premiere feierte, Real- und Animationsfilm, wenn sich nach Sperrstunde in einer Bar ein paar Mäuse ihren Durst mit den Getränkereste löschen, die auf einer Theke zurückgeblieben sind.

Die Kunst der Reduktion

Was man mit Reduktion und Beschränkung auf das Wesentliche erreichen kann, zeigten dagegen Sally Lalla mit „Sven“ und Tim Ungermann mit „Was ist dein Problem, Katrin?“. Indem Lalla ganz auf dem geistig behinderten Sven fokussiert, der bald malt, bald musiziert, gelingt ihr ein einfühlsames Porträt des jungen Mannes. Ungermann dagegen konzentriert sich ganz auf eine Radio-Moderatorin, die Anrufern bei ihren Problemen und Sorgen berät. Während auf sie Fragen einprasseln, steigt im Zuschauer langsam, aber nachhaltig die Frage auf, welche Sorgen denn diese Katrin hat.

Kleine Geschichten fein erzählt

Wie man kleine Geschichten souverän erzählt, konnte man bei Viktor Perdulas und Paul Reisingers „Missing Sunrise“ und „Election Eve“ sehen, die als Welturaufführung gezeigt wurden. Im Gegensatz zu vielen Amateuren beherrschen diese beiden Studenten an der UCLA. (University of California, Los Angeles) einfach das Handwerk. Bildgestaltung, Schnitt, Dialog und Schauspiel ergänzen sich und fügen sich zu einer Geschichte, die ebenso abrupt wie pointiert endet.

Eindrückliche Reflexion über Zeit und Erinnerung

Der filmisch interessanteste Beitrag kam schließlich von Andreas Reisenbauer, der seinen „Zeitsprung“ zwar hoch gegriffen, aber nicht grundlos dem im Sommer verstorbenen Chris Marker gewidmet hat. Wie Reisinger in knapp acht Minuten sich eine Geschichte dreimal wiederholen lässt, sie leicht variiert und dabei auf der Erzählebene ebenso wie auf der formalen mit Zeit und Erinnerung spielt, lohnt durchaus ein zweites Sehen. - Mehr Filme wie die von Reisinger und Perdula oder den von Reisinger hätte man sich bei dieser Kurzfilmnacht gewünscht und hätte dafür gerne auf andere ebenso belanglose wie dilettantische Produktionen verzichtet.