Neu in den Kinos: „Challengers – Rivalen“ (Foto: MGM)
Gunnar Landsgesell · 18. Apr 2013 · Film

Mama

Ein Geist ist ein Gefühl, das nicht zur Ruhe kommt, heißt es in „Mama“ einmal. Tatsächlich hat sich so eine Unruhe nicht auf diesen Film übertragen. "Mama" ist eine laue spook-story, in der eine Geistermutti im Zwist um zwei kleine Mädchen durch Jessica Chastain als Punk-Rockerin und Ersatz-Mom langsam marginalisiert wird.

 

Mom is back! Dass Geister von einer gewissen Unruhe beseelt sind, falls der Begriff in diesem Zusammenhang erlaubt ist, dann ist das ganz normal. Oft kehren sie in die Welt zurück oder gehen erst gar nicht weg, weil etwas in ihrem „Leben“ noch nicht in Ordnung gebracht ist. Das kennt man aus haunted-house-Filmen, in denen etwa noch eine Leiche im Keller zu bestatten wäre. Im Fall von „Mama“ verhält sich das nicht viel anders. Ein verlassener Ehemann ermordet seine Ex-Frau, scheitert aber daran, ihre beiden kleinen Mädchen und sich selbst zu töten. Eine Art weiblicher Wurzelgeist, der in der Waldhütte haust, wo das Verbrechen geschehen sollte, bringt immerhin ihn zur Strecke. Fünf Jahre haust diese rein weibliche Patch-work-Familie im Wald, bis der Bruder des Vaters (Nikolaj Coster-Waldau) sie ausfindig macht und zu sich und seiner Freundin (Jessica Chastain) holt. Dass er sich dabei auch Mama, wie die Kinder den Waldgeist nennen, eingetreten hat, wird ihm erst viel später klar. Zunächst wohnt Mama im Kleiderkasten der Kinder, schlägt unheimliche schwarze Wucherungsmuster an Wände oder spielt mit den Kindern.

Widerstreitende Mütter: ein sonderbarer Spuk

Drei Minuten dauert der Kurzfilm, mit dem das argentinische Geschwisterpaar Andres und Barbara Muschietti vor ein paar Jahren ihre Ursprungsidee der wiederkehrenden Mutter festgehalten hat. Die drei Minuten, heute quasi als Werbeclip auf Youtube zu sehen, sind unheimlicher als das, was seither rundherum gebaut wurde. Der Kurzfilm taucht als Szene im Film wieder auf: Mama, die schrecklich verzerrte Frauengestalt, die ein Gesicht wie die Maske aus „Scream“ hat, verfolgt die Kinder auf dem Flur. Während sich das eine in das Kinderzimmer retten kann, bleibt das andere zurück. Als das Mädchen angsterfüllt noch einmal den Gang entlang blickt, rauscht ihr im Clip der Geist entgegen, im Film ist es allerdings Chastain. Das ist symptomatisch: Die Aufmerksamkeit des Films gilt vor allem dem Verhältnis der beiden Kinder und ihrer neuen Bezugsperson, Chastain, die als Punk-Rockbassistin mit schwarz umrahmten Augen und Misfits-T-Shirt mehr die coolen Gesten probt anstatt die liebevolle Mutter. Die Frau aus dem Jenseits wird ein bisschen abgedrängt und kommt erst später zu ihrem Recht. Eigentlich könnte auch diese Konstellation interessant sein, die ein wenig an Jack Claytons „The Innocents“ (dt: Schloss des Schreckens, 1961) erinnert, wo eine Gouvernante glaubt, die beiden Kinder, die sie hütet, seien von einem Geist besessen. Drängende Fragen der Moral und von Tabus, die Clayton aufwirft, sucht man in „Mama“ allerdings vergebens. Hier entwickelt sich vielmehr etwas nach dem Prinzip Zwei Mädchen suchen die Super-Mami. Hängen die Girlies noch ihrer Beschützerin aus dem Wald nach oder lassen sie sich auf die Neue ein? Chastain und der Sukkubus (ein weiblicher Waldgeist) treten jedenfalls in Konkurrenz zur Mutterschaft, dazu noch eine dritte Frau, die unsympathische Tante der beiden Die Konstellation der widerstreitenden Mütter lähmt auf Dauer dann doch ein wenig. Da hilft es auch nichts, dass schließlich noch ein unvermeidlich historisches Moment – eine tragische Frauengestalt aus einer Irrenanstalt im 19. Jahrhundert – noch ins Spiel kommt. Es scheint, als hätten die Muschiettis vor allem Ideen, nicht zuletzt visueller Natur, zusammengeklaubt: Die Geisterarme, die sich wie Äste in Sam Raimis „Evil Dead“ um ihre Opfer ranken; das Motiv der verlassenen Kinder; das Motiv der unheilvollen Haarperücken aus japanischen Geisterfilmen; Motten, usw. Auch wenn auf Mikro-Ebene einiges in diesem Film schlüssig sein mag – der Psychiater muss etwa in dem Augenblick sterben, als er erkennt, dass seine Profession von einer höheren (irrationalen) Macht ausgehebelt wird – und auch wenn optisch einiges reizvoll erscheint – ein Alptraum, der als filmische Projektion inszeniert ist – so bleibt der Film just in der Erzählung farblos, für die er sich eigentlich entschieden hat: das Verhältnis von Mutter und Kind. Gerade dazu hat „Mama“ paradoxerweise recht wenig zu bieten. Wer sich für den Film auch wegen des neuen Superstars Jessica Chastain („Zero Dark Thirty“) interessiert, wird das Gothic-Motiv des Films hier in seiner interessantesten Variante vorfinden.